Lead Management B2B: Mit 7 Erfolgsfaktoren punkten Verkaufsprofi Alessandro Castagnetti verrät, worauf es ankommt
Viele Kaufentscheidungen im Business-to-Business-Bereich (B2B) erfordern einen längeren Prozess. Deshalb ist es hier besonders wichtig, Interessenten mit einem professionellen Lead Management eng zu begleiten. Sieben Erfolgsfaktoren und wie Alessandro Castagnetti, Senior Consultant Dialogmarketing bei der Schweizerischen Post, diese einschätzt.
Erfolgsfaktor 1: Insights
Im Lead Management B2B ist es essenziell, nach der Leadgenerierung möglichst viel über die potenziellen Kunden, ihre Entscheidungsprozesse und die Rollen im Unternehmen zu erfahren. Dabei stellen sich für Marketing und Vertrieb unter anderem die folgenden Fragen:
- Welches Potenzial hat das Unternehmen als Kunde (zu erwartender Umsatz etc.)?
- Gilt es innerhalb der Branche als Schlüsselkunde, als wichtige Referenz?
- Welche speziellen Anforderungen hat das Unternehmen?
- Wie sehen die typischen User aus?
- Wie läuft die Evaluation neuer Anbieter beim potenziellen Kunden ab und welche Kriterien sind dabei entscheidend?
- Wer sind die Einkäufer, die Beeinflusser, die Gatekeeper und die Entscheider?
Mit diesem Wissen können Marketing und Vertrieb des Anbieters einerseits gezielt auf die Kundenbedürfnisse eingehen und die richtigen Lösungen unterbreiten. Das erhöht die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen. Andererseits erleichtern die Insights die Bewertung der B2B Leads – des Unternehmens als Ganzes wie auch der einzelnen Ansprechpersonen.
Erfolgsfaktor 2: Bewertung
An einem B2B-Entscheidungsprozess sind meist mehrere Personen beteiligt. Daher ist längst nicht jeder Kontakt bei einem potenziellen Kunden als Lead wertvoll. Auf Basis der gewonnenen Insights sollten Marketing und Vertrieb gemeinsam Kriterien festlegen, um die Leads zu bewerten. Eine einfache Möglichkeit dafür ist das BANT-Modell:
- Budget: Über welches Budget verfügt die Person direkt?
- Authority: Welche Entscheidungsbefugnis hat der Lead?
- Need: Welche Bedürfnisse sind für ihn zentral?
- Time: Wie schnell will der potenzielle Kunde eine Investition tätigen?
Beim Lead Scoring kann sich etwa zeigen, dass für den Anbieter nicht der Leiter Beschaffung der wichtigste Kontakt ist, sondern der Leiter Marketing oder eine graue Eminenz im Stab des CEO. Auch die Stellung der Person innerhalb der Branche sollte berücksichtigt werden: Möglicherweise ist ein Kontakt zwar kein Entscheider beim konkreten Kauf, gilt aber in der Branche als Meinungsbildner mit viel Einfluss. Als Summe aller Kriterien erhält jeder Kontakt ein Rating, zum Beispiel A, B oder C.
Das bereits erwähnte Target Account Selling bewertet Leads anhand von 20 Fragen, die sich in vier Gruppen gliedern: Gibt es eine Gelegenheit? Sind wir wettbewerbsfähig? Können wir gewinnen? Und lohnt sich das überhaupt? Von den Antworten leitet sich die Strategie fürs Lead Management ab.
Alessandro Castagnetti
Erfolgsfaktor 3: Kaufmotive
Die Entscheidung für einen Anbieter treffen nicht Unternehmen, sondern die Menschen dahinter. Deshalb sind die Kaufmotive der Entscheider für Marketing und Vertrieb mindestens so wichtig wie jene des Unternehmens. Das Lead Nurturing liefert Informationen dazu, welche Aspekte die Leads stark gewichten. Die persönlichen Motive basieren unter anderem auf individuellen Zielen und Überzeugungen. Viele Entscheider legen einen besonderen Fokus auf Sicherheit. Je nach Funktion des Leads im Unternehmen ist die Wirtschaftlichkeit zentral. Immer bedeutender wird die ökologische Nachhaltigkeit als Kaufmotiv.
Jeder Kunde hat eine persönliche Agenda, verfolgt nebst den Zielen des Unternehmens auch seine eigenen. Manchmal kommt man als Verkäufer bei einem Unternehmen nicht weiter. Bis die Ansprechperson wechselt: Plötzlich öffnen sich alle Türen. Das liegt daran, dass Menschen bei Menschen kaufen. Emotionale Intelligenz spielt daher auch im Lead Management eine grosse Rolle.
Alessandro Castagnetti
Erfolgsfaktor 4: Medienwahl
Im B2B informieren sich die Verantwortlichen bei ihrem Entscheidungsprozess auf ganz anderen Kanälen als private Käufer. So zeigt eine 2020 veröffentlichte Branchenumfrage der Vogel Communications Group bei 1000 Entscheidern aus der Industrie: Die mit Abstand relevanteste Quelle für Informationen – 84,9% der antwortenden Entscheider finden sie wichtig – sind physische und digitale Fachmedien. Dahinter folgen Suchmaschinen (73,8%), persönliche Netzwerke (73,6%) und Messen (71,7%). Das Schlusslicht als Informationsquelle bilden die Social Media der Hersteller. Sie werden von allen Altersklassen am schlechtesten bewertet. Einige der im Inbound-Marketing üblichen Kanäle sind für geschäftliche Entscheider also schlicht nicht relevant. Sie spielen sowohl bei der Leadgenerierung als auch im Lead Nurturing eine untergeordnete Rolle.
Für ein erfolgreiches Lead Management sollten Anbieter dem spezifischen Informationsverhalten Rechnung tragen. Zum Beispiel fragen viele Kunden nach Referenzen. Transparente Fallstudien samt KPIs überzeugen sie am meisten.
Alessandro Castagnetti
Erfolgsfaktor 5: Fachinformationen
B2B-Kunden sind meist Experten auf ihrem Gebiet. Das macht Lead Generierung und Lead Management gleichzeitig einfacher und schwieriger. Es wird einfacher, weil die Fachleute während des Kaufprozesses aktiv auf der Suche nach zusätzlichen Informationen sind, die sie in ihre Entscheidung einbeziehen können. So stossen Anbieter mit hochwertigem Content meist auf offene Türen. Darin liegt jedoch gleichzeitig die Schwierigkeit: Die Ansprüche von B2B-Kunden an den Content sind deutlich höher als im B2C-Geschäft. Die Entscheider möchten von Fachwissen profitieren und damit ihre eigene Expertise ergänzen. Für das Marketing der Anbieter bedeutet das einen grösseren Aufwand für die Erstellung des Contents. Denn die Leads erwarten fundierte Informationen, etwa in Form von Special-Interest-Publikationen, Whitepapers oder Webinaren. Während sich im B2B mit hochwertigem Content also punkten lässt, wird Produkt-PR sofort erkannt und von den Entscheidern ausgeblendet oder sogar abgestraft.
Als Anbieter empfiehlt es sich, externe Experten in seinen Content einzubinden. Das wirkt für die Fachleute auf Kundenseite glaubwürdiger. Zudem sollte man den Mut haben, auch kritischen Stimmen Raum zu geben.
Alessandro Castagnetti
Erfolgsfaktor 6: Kundenbeziehung
Trotz eines professionellen, automatisierten Lead Managements braucht es im B2B immer auch das persönliche Verkaufsgespräch: ein Gespräch zwischen Menschen. Auf Kundenseite steht der Entscheider mit seinen Motiven im Zentrum, auf Anbieterseite der Verkäufer – und nicht primär ein Produkt oder eine Dienstleistung. Um sicherzugehen, ob und wann der Interessent reif für den Verkaufsabschluss ist, muss die Kaufbereitschaft nochmals überprüft werden. Bei einem ersten Kontakt steht daher das Zuhören im Vordergrund. Erst bei der anschliessenden Angebotspräsentation geht es um den Mehrwert, den der Anbieter dem potenziellen Kunden bieten kann – abgestimmt auf die persönlichen Kaufmotive. Dabei ist es entscheidend, weiterhin Kompetenz und Relevanz zu vermitteln. Erst wenn die Leistung klar dargelegt wurde, darf die Preisdiskussion beginnen. Da B2B Empfehlungen und das Netzwerk eine besonders wichtige Rolle spielen, lässt sich mit einem professionellen Lead Management selbst dann stark punkten, wenn sich der Interessent für einen anderen Anbieter entscheidet. Möglicherweise erzählt er Geschäftspartnern vom positiven Erlebnis, wodurch es zu weiteren Leads kommt.
Zuhören, Authentizität und Ehrlichkeit sind die Schlüsselelemente für eine langfristige Kundenbeziehung. Wenn der Kunde Sie als Verkäufer um einen Rat fragt, weil er Ihnen vertraut, dann haben Sie viel erreicht. Dazu gehört, auch mal von einem Angebot abzuraten, wenn es nicht zu den Bedürfnissen des Kunden passt.
Alessandro Castagnetti
Erfolgsfaktor 7: Kontinuität
Beim Lead Management geht es nicht nur darum, die Interessenten entlang des Sales Funnels bis zum Kauf zu begleiten. Sie sollen auch nach dem erfolgreichen Geschäftsabschluss vom Sales-Team weiterbetreut werden. Das ist im B2B besonders wichtig, weil hier der Aufwand für die Leadgenerierung trotz Marketing Automation gross ausfällt. Als Content fürs kontinuierliche Lead Nurturing eignen sich zum Beispiel Fachberichte, regelmässige Fresh-up-Schulungen für Anwender oder Erfa-Tagungen. Dadurch gewinnt der Anbieter noch mehr Informationen, die er nutzen kann, um den Kunden zum Stammkunden zu machen.
Kontinuität wird in der Praxis leider oft vernachlässigt. Ein Unternehmen scheut keinen Aufwand, bis das Produkt verkauft ist. Doch danach hört der Kunde nichts mehr vom Verkäufer. Dabei ist die Intensivierung bestehender Kundenbeziehungen deutlich profitabler, als möglichst viele neue Leads zu generieren.
Alessandro Castagnetti