Wie Sie den Prozess der Werbewirkung beeinflussen

Wie Sie den Prozess der Werbewirkung beeinflussen Mit Neuromarketing lässt sich die Wirkung gezielt erhöhen

Ob beim Surfen im Internet, beim Durchstöbern der Post oder unterwegs: Fast pausenlos sind wir mit Werbung konfrontiert. Woran liegt es, dass die eine Werbung uns anspricht und die andere uns völlig kalt lässt? Die Antworten liefert ein Blick in unser Gehirn – genauer gesagt ins limbische System. Denn vor allem hier läuft der Prozess der Werbewirkung ab.

Ein Mann in einem Laden öffnet einen Brief
Je kongruenter Werbung die Sinne anspricht, desto stärker ist die Werbewirkung.

Bevor Werbung ihre Wirkung entfalten kann, muss sie die Zielgruppe zunächst erreichen. Keine leichte Aufgabe, denn das menschliche Gehirn wandert ständig zwischen aktiver und passiver Aufmerksamkeit. Bei der passiven Aufmerksamkeit denken wir an viele Sachen und lassen uns leicht ablenken. Nur bei der aktiven Aufmerksamkeit legen wir den Fokus bewusst und kognitiv auf eine bestimmte Sache.

Werbung kann diese aktive Aufmerksamkeit nicht immer herbeiführen. Deshalb nutzt sie die Tatsache, dass der Mensch auf verschiedene Arten lernt und Botschaften verarbeitet:

  • Beim aktiven Lernen strengen wir uns an und stellen Bezüge her, um etwas vollständig zu begreifen.
  • Beim passiven Lernen schenken wir der Sache nur nebenbei Aufmerksamkeit. Wir können allerdings jederzeit in den aktiven Lernzustand wechseln.
  • Das implizite Lernen passiert ständig und unbewusst: Wir lernen, ohne dass die Aufmerksamkeit beteiligt ist. Und wir speichern die Informationen im impliziten Gedächtnis, wo sie mit Konzepten und Bedeutungen verknüpft werden können. Für Werbetreibende ist vor allem dieses implizite Lernen von Bedeutung. Denn es erfordert keine aktive Aufmerksamkeit der Zielpersonen.

Werbewirkung: Verhaltensänderung als Werbeziel

Ein Werbeziel lautet also, die Rezipienten zu beeinflussen, ohne dass es ihnen bewusst ist. Verarbeiten die Zielpersonen die Werbung nämlich rational, findet sie schnell einen «Haken». Wirkt die Botschaft hingegen auf das Unterbewusstsein, wird dieser kritische Filter umgangen. Am besten gelingt das über Emotionen. Sie werden vor allem vom limbischen System generiert, das mehrere Regionen im Gehirn umfasst. Von hier aus dringen die Emotionen zur Evaluation ins Bewusstsein vor. Allerdings ist unter Wissenschaftern bis heute umstritten, wie das Zusammenspiel des limbischen Systems mit anderen Gehirnteilen genau funktioniert.

Emotionen beruhen zu einem grossen Teil auf bisherigen Erfahrungen, die wir als positiv oder negativ bewertet haben. Sie spielen beim Kaufprozess eine Schlüsselrolle. Laut Erkenntnissen der Hirnforschung ist jeder Kaufentscheid zu 90% emotionsgetrieben. Das hohe Involvement von Emotionen bei der Werbewirkung bestätigt etwa der bekannte amerikanische Psychiater Robert Heath in seinem Buch «Seducing the Subconscious». Darin zeigt er auf: Damit die Konsumentin oder der Konsument das Kaufverhalten ändert, muss die Person nicht nur die Meinung gegenüber einem Produkt ändern, sondern die innere Einstellung: «Unsere Meinung bestimmt lediglich, welche Attribute wir einer Marke zuschreiben. Unsere innere Einstellung einem Produkt gegenüber hingegen zeigt, welche Gefühle beim Gedanken an eine Marke in uns geweckt werden. Diese Unterscheidung ist wichtig. Denn obwohl Meinungen unsere innere Einstellung beeinflussen, haben sie keine Auswirkung auf unser Verhalten. Das schafft nur die innere Einstellung.»

Es gibt keinen ‹Kaufbutton› im Gehirn, aber bestimmte Mechanismen. Je besser man sie kennt, desto gezielter kann man sie nutzen. Beim Neuromarketing geht es nicht nur ums Messen, sondern auch ums Lenken.

Philipp Zutt

Welche Faktoren Kaufabsicht und Verhalten beeinflussen

Was bedeutet diese Theorie nun für die Werbetreibenden? Sie sollten die Werbekanäle so wählen und ausgestalten, dass sie die Zielgruppen bei ihren subjektiven Empfindungen abholen und langfristig eine Einstellungsänderung bewirken. Dabei spielen emotionale, soziale und kognitive Faktoren eine Rolle, die sich mit unterschiedlichen Marketinginstrumenten bedienen lassen:

  • Emotionale Faktoren: Noch bevor die Konsumentin oder der Konsument einen Kauf oder einen Verzicht darauf rational begründen kann, hat sich die Person emotional bereits für oder gegen das Produkt entschieden. Ausschlaggebend dafür sind das Markenimage oder der erste Eindruck. Das Marketing kann die emotionalen Faktoren beeinflussen mit Werbung, die die Sinne anspricht, wie etwa ein Direct Mailing. Solche Werbung fördert nicht nur den Abverkauf, sondern prägt auch das Image einer Marke, wie Studien zur Wirkung von Direct Mailings belegen. Der Auftritt und das Einkaufserlebnis am POS sind ebenfalls entscheidend, weil sie den ersten Eindruck prägen – noch bevor die Konsumentin oder der Konsument über konkrete Produkte nachdenkt.
  • Soziale Faktoren: Ob offline oder in den sozialen Netzwerken: Positive oder negative Empfehlungen prägen die inneren Einstellungen und somit den Kaufentscheid. Hier können authentische Testimonials oder Influencer, die gut zur Marke passen, einen Einfluss haben. Der zentrale unter den sozialen Faktoren ist aber der Kundenservice. Denn positive Emotionen beruhen in erster Linie auf positiven früheren Erfahrungen.
  • Kognitive Faktoren: Auch wenn Kaufentscheidungen primär emotional getroffen werden: Rationale Argumente spielen dennoch eine Rolle. Sie sind vor allem wichtig, um Entscheide nachträglich zu begründen – gerade bei hochpreisigen Produkten wie zum Beispiel Autos und bei neuen Kaufsituationen. In solchen Fällen ist die Aufgabe des Marketings, die kognitiven Faktoren zu beeinflussen. Bei Käufen mit hohem Informationsbedarf braucht es dazu fundierte Unterlagen wie Broschüren, Whitepapers oder Best Practice Storys. Beim Kauf neuer Produkte unterstützen Rabatte, Gutscheine oder andere Preisvorteile den rationalen Entscheidungsprozess.

Ich empfehle Marketingfachleuten, nach drei Grundprinzipien vorzugehen: Erstens ein Soll-Emotionsprofil für die Werbung zu definieren – nicht nach Bauchgefühl, sondern auf Basis fundierter Analysen. Zweitens dieses über alle Touchpoints hinweg einheitlich umzusetzen. Drittens alle Sinne der Empfänger miteinzubeziehen.

Philipp Zutt

Die Forschung zur Werbewirkung zeigt zudem: Eine kanalübergreifende Kommunikation verstärkt die Werbewirkung, da sich durch den Kontakt mit verschiedenen Medien ein Lerneffekt einstellt. Idealerweise ergänzen sich die Stärken der einzelnen Werbeträger, indem sie sinnvoll aufeinander abgestimmt werden. Dabei darf die Zielsetzung der einzelnen Mediengattungen durchaus unterschiedlich sein. Wichtig ist, dass sich die emotionale Wirkung über die verschiedenen Werbeträger wie ein roter Faden durchzieht. Das hinterlässt stärkere Spuren im Gehirn, ähnlich wie bei Fussstapfen im Schnee.

Das Gehirn mag es, wenn Hören, Sehen, Schmecken, Riechen und Fühlen übereinstimmende Gefühle auslösen. Je harmonischer das Sinneserlebnis, desto stärker wird das Gehirn aktiviert und desto grösser die Werbewirkung.

Philipp Zutt

Mit Neuromarketing die Werbewirkung messen und steuern

Unternehmen, die mit ihrer Werbung das Unterbewusstsein bestehender und potenzieller Kunden gezielt beeinflussen wollen, setzen heute oft auf Neuromarketing. Es bedient sich Methoden und Ansätzen aus Neurowissenschaften und Psychologie, um die Werbewirkung zu verstärken. Zum Beispiel werden mittels EEG-Messungen die Gehirnaktivitäten von Probanden gemessen oder es kommen Eyetracking- und Mimikanalysen zum Einsatz. Die Untersuchungen zeigen, welche Hirnareale durch den Konsum von Werbung aktiviert werden und welche Gefühle und Reaktionen die Testpersonen dabei entwickeln.

Die Werbewirkung findet auf der nonverbalen Ebene statt. Bei Analysen messen wir die Emotionen der Testpersonen, ohne zu reden. Das gelingt etwa über codierte Formen und Farben. So umgehen wir das Sprachzentrum, das mit seinem rationalen Denken Aussagen über Empfindungen stets verfälscht.

Philipp Zutt

Die Ergebnisse helfen einem Unternehmen etwa, den richtigen Preis für ein Produkt zu finden, Werbemittel wie Websites oder Prospekte zu optimieren und Marken zu emotionalisieren. Mit speziellen Methoden des Neurobrandings lässt sich die Markenwahrnehmung entlang der Touchpoints der Customer Journey messen und verbessern. Oft genügen bei der Werbung bereits kleine Veränderungen bei der Gestaltung oder – im Falle eines Direct Mailings – der Haptik und des Geruchs, um die Werbewirkung zu verstärken. Im besten Fall werden bei den Konsumierenden unterbewusste Verhaltensprogramme in Gang gesetzt, welche die Kaufentscheidung wesentlich beeinflussen.

Neuromarketing lohnt sich im B2C- und B2B-Bereich. Bisher wird es vor allem bei Konsumgütern wie Autos oder Parfüm eingesetzt. Grosses Potenzial sehe ich jedoch auch bei Dienstleistungen, bei denen das Kundenerlebnis eine wichtige Rolle spielt.

Philipp Zutt
Zur Person
Portrait Philipp Zutt

Philipp Zutt ist Managing Partner von Zutt & Partner, einer Unternehmensberatung für Neuromarketing. Zudem unterrichtet er als Dozent für Neuromarketing an verschiedenen Hochschulen, ist Keynote-Speaker und Fachautor.

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