Jugendmarketing ist kein Kinderspiel

Jugendmarketing ist kein Kinderspiel Chancen und Gefahren

Nicht nur für Anbieter von Spielzeugen und weiteren Kinderprodukten ist Kinder- und Jugendmarketing ein Thema. Sondern auch für Unternehmen aus Branchen wie Automobile, Ferienreisen, Lebensmittel u.a.m. Denn der Einfluss der jungen Zielgruppe auf Kaufentscheidungen in Familien nimmt zu. Darüber hinaus prägen Kindheitserfahrungen auch das spätere Kaufverhalten mit. Eine frühe Markenbindung ist somit eine Investition in die Zukunft.

Ein Mädchen flüstert einem anderen etwas ins Ohr.

Kinder und Marken

Die Zielgruppen der Kinder und Jugendliche haben für viele Unternehmen eine wachsende Bedeutung für ihr Marketing. Die Gründe hierzu sind mannigfaltig. So wirkt sich eine frühe Markenbindung positiv auf die Wahrscheinlichkeit aus, auch im Erwachsenenalter auf die entsprechende Marke zurückzugreifen. Bereits im Alter von zwei oder drei Jahren reagieren Kinder auf Logos. Sie entwickeln schon früh eine eigene Meinung über Marken, stark beeinflusst von Freunden, Eltern, Fernsehwerbung, Product Placement und Einkaufserlebnissen, wie die Studie «Little Big Influencers» von Viacom zeigt.

Frühes Mitspracherecht

Nach der erwähnten Studie, für die 3600 Kinder zwischen 6 und 13 Jahren aus Belgien, Dänemark, Deutschland, den Niederlanden, Polen und Schweden sowie deren Eltern befragt worden sind, dürfen 98 Prozent der Kinder mitentscheiden, was gekauft wird. 88 Prozent haben bei Spielsachen das Sagen, 79 Prozent bei Kleidern und bei Ausflugszielen, 65 Prozent reden auch bei Ferien und 63 Prozent bei Lebensmitteln mit. Selbst bei Autos entscheiden 31 Prozent mit.

Hoher Stellenwert in der Familie

Der zunehmende Einfluss von Kindern und Jugendlichen auf Kaufentscheide lässt sich vor allem auf die veränderte Beziehung zwischen Kindern und Eltern zurückführen. Das Eltern-Kind-Verhältnis ist heute wesentlich enger, die Vertrauensbasis grösser als früher. In der Folge nehmen neun von zehn Eltern laut der erwähnten Studie die Meinung ihrer Kinder ernst. Ein weiterer Grund dürfte sein, dass der Nachwuchs bei einigen Produkten über ein grösseres Wissen verfügt als sie selbst, wie gut ein Drittel der Eltern bestätigt.

Höhere Kaufkraft

Auch die Kaufkraft dieser jungen Zielgruppe ist höher als noch vor ein oder zwei Jahrzehnten. Denn das verstärkte Vertrauen zeigt sich auch beim Taschengeld, das die Mehrheit der befragten Kinder erhält. Laut der Viacom-Studie, für die auch 416 Schweizer Kinder und deren Eltern Red und Antwort standen, verfügen Kinder in der Schweiz über eine jährliche Kaufkraft von rund 400 Millionen Schweizer Franken. 62 Prozent dürfen alleine entscheiden, ob sie ihr Taschengeld ausgeben oder sparen möchten. Kids kaufen sich vor allem Süsses, Spielzeug, Getränke und Snacks, Comics und Computerspiele. Jungs sparen vor allem für Spielsachen (20 Prozent) und Videospiele (18 Prozent), Mädchen für Kleidung (18 Prozent) und für Smartphones (15 Prozent).

Werbung oder Nachricht?

Kinder können Werbung kaum hinterfragen und wissen oft nicht, dass sie suggestiv ist. Wie medienaufgeklärt Kinder sind, hängt davon ab, ob, wann und wie Medien und Werbung in der Schule und zuhause thematisiert werden. Bei Formaten wie Native Advertising, bei denen Werbung redaktionellen Inhalten ähnelt, ist das Unterscheiden für Kinder besonders schwierig. Nur die Hälfte der 12- bis 15-Jährigen ist sich bewusst, dass YouTuber und Blogger mit Produktplatzierungen Geld verdienen. Auch bei den Suchergebnissen auf Google haben Kinder Mühe, zwischen Textanzeigen und organischen Einträgen zu unterscheiden. Dies zeigt eine Umfrage von Ofcom, wonach dies nur 31 Prozent der befragten Kinder zwischen 12 und 15 Jahren gelang. Bei den 8- bis 11-Jährigen waren es gerade mal 16 Prozent.

Herausforderungen für Werbetreibende

Kinder und Jugendliche als Zielgruppe fürs Marketing anzusprechen, ist mit einigen Hürden verbunden. So ist diese Zielgruppe zum Beispiel sehr heterogen – Mediennutzung und Interessen verändern sich ständig. Für Erwachsene ist es oft schwierig, sich in diese Kinderwelten hineinzuversetzen, denn Kinder sind für andere Dinge empfänglich als Erwachsene. Sie wollen mitwirken und Geschichten statt Werbebilder; bunte Farben und unterschiedliche Schriftarten und -grössen stimulieren ihre Fantasie. Und schliesslich gilt es, die rechtlichen Vorgaben einzuhalten, denn Kinder und Jugendliche sind besonders geschützt, einerseits durch Gesetze, andererseits auch durch Organisationen wie den Konsumentenschutz. Zudem schauen auch Öffentlichkeit, allen voran Eltern und Journalisten genau hin und decken Missstände schnell auf.

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Medienwahl entscheidend

Wer Jugendmarketing betreiben und junge Zielgruppen erfolgreich ansprechen möchte, muss also ihre Lebenswelt und ihre Bedürfnisse verstehen. Jüngere Kinder lieben es, wenn sie selbst als Helden dargestellt werden. Bei allen Altersgruppen ab sechs Jahren kommen auch humorvolle Darstellungen an und erzeugen laut Analysen von IP Deutschland und Iconkids & Youth auch die beste Markenerinnerung. Bei der Altersgruppe bis 14 Jahre ist Fernsehen noch immer die beste Medienwahl, wenn es um Reichweite geht. Je nach Altersgruppe sind auch Kino und soziale Medien interessante Kanäle. Denn heute besitzt bereits ein Drittel der 6- bis 7-Jährigen ein Handy, bei den 12- bis 13-Jährigen sind es zwei Drittel (Quelle: MIKE-Studie 2015). 73 Prozent der Kinder in Deutschland zwischen 6 und 13 Jahren lesen regelmässig Kindermagazine (Quelle: KidsVerbraucherAnalyse 2015) und Zeitungen und Radio punkten bei den über 14-Jährigen, wenn es um regionale Aktualität geht. Bei diesem Alterssegment stehen auch Events mit starkem Erlebniswert hoch im Kurs.

Rechtliche Vorgaben

Die Vorschriften im Jugendmarketing und bei der werblichen Ansprache von Kindern und Jugendlichen sind vage. Konkret heisst es im Schweizer Werberecht: «Generell wird von der Werbung verlangt, dass sie weder das Anhänglichkeitsgefühl noch die natürliche Leichtgläubigkeit und Beeindruckbarkeit oder den Mangel an Erfahrung von Kindern und Jugendlichen ausnützt». In der EU hingegen sind auch direkte Kaufappelle wie «Hol dir jetzt ...» oder Aufforderungen wie «Schreib dir xy auf deinen Wunschzettel» verboten. Unzulässig sind auch Produktplatzierungen in Kindersendungen.

Swiss Pledge

Swiss Pledge ist eine Initiative von Lebensmittel- und Getränkeproduzenten mit dem Ziel, das eigene Werbeverhalten gegenüber Kindern unter 12 Jahren zu regeln. Ende 2019 wurden für die 11 Mitgliederfirmen (darunter CocaCola, Nestlé, Kellogg’s und McDonald’s) zudem einheitliche Nährwertkriterien pro Produktkategorie eingeführt. So dürfen Zucker, gesättigte Fettsäuren und Natrium der beworbenen Produkte nur in begrenzten Mengen vorkommen.

Zwei Beispiele aus der Praxis

  • Swiss-Mania-Aktion von Migros:
    Mit Suisse Mania realisierte der Lebensmittelkonzern Migros eine Sammelaktion mit edukativem Charakter. Wer im Herbst 2015 für 20 Franken einkaufte, bekam an der Kasse eine kleine Figur geschenkt. Teil der Aktion waren zudem ein Sammelalbum für die Sticker und ein Brettspiel. An den Jokertagen, die jeweils mittwochs stattfanden, gab es zusätzliche Angebote. Zudem konnten die Kinder die Schweiz online in 3D entdecken. Neben dem Umsatzplus profitierte Migros vor allem vom lang anhaltenden positiven Image-Effekt durch den starken Swissness-Bezug und die positiven Erlebnisse durch die Migrosaktion. Kritische Stimmen gibt es bei solchen Aktionen bezüglich Gruppendruck, der durch den Tausch der Sammelbilder entstehen kann. So würden Kinder ihre Eltern zum Einkauf in der Migros drängen, um dazuzugehören.

  • Lego Club Magazin:
    Viermal pro Jahr erhalten die jungen Clubmitglieder das «LEGO® LifeClub Magazin». Mehr als eine halbe Million sind es allein in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Darin gibt es Comics, Rätsel, Gewinnspiele, Posters, Codes zum Download von Bauanleitungen, Fotos von selbst kreierten Werken anderer Clubmitglieder und natürlich viele Hintergrundinfos über die Helden aus den aktuellen Lego-Spielzeugwelten. Die Magazine sind laut Lego so beliebt, dass sie von drei Vierteln der Fans jahrelang aufbewahrt werden.

Fazit zum Jugendmarketing

Erfolgreiches Kinder- und Jugendmarketing bedingt viel Fingerspitzengefühl, denn einerseits gilt es, die rechtlichen und moralischen Vorgaben zu beachten, andererseits müssen Angebote, Botschaften und Medienwahl auf die jeweilige Altersgruppe zugeschnitten sein. Zudem entlarven vor allem Jugendliche sehr schnell, wenn Unternehmen ihnen nicht auf Augenhöhe begegnen. Wer sich mit viel Fantasie auf das Abenteuer Jugendmarketing einlässt, hat gute Chancen, die eigene Marke bei den Konsumenten von morgen positiv zu verankern und ein sogenanntes Markendepot aufzubauen, das sich langfristig positiv auf das Kaufverhalten auswirkt.