Neukundengewinnung: Machen Sie die Pflicht zur Kür Wie Ihnen eine erfolgreiche Neukundenakquisition gelingt
Die Neukundenakquisition gehört zu den grössten Herausforderungen für Unternehmen. Um die Pflicht zur Kür zu machen, zählt die richtige Balance: von zeitlosen Grundprinzipien und neuen Technologien, persönlicher Ansprache und Automatisierung sowie kurzfristigen Verkäufen und langfristigem Beziehungsaufbau.

Schon die Händler im alten Rom wussten es: Persönliche Empfehlungen und das Anbieten von Kostproben funktionieren besonders gut, um neue Kundinnen und Kunden zu gewinnen. Mit der Industrialisierung dienten dann gedruckte Werbeanzeigen und Plakate der Kundenakquise, bevor das Fernsehen ab den 1960er-Jahren Produkte einem breiten Publikum näherbrachte.
Und heute? Im Zeitalter der Digitalisierung entwickeln sich Strategien, Kanäle und Technologien für die Neukundengewinnung schnell weiter. Doch eines ist gleich geblieben: Der Erfolg basiert auf einigen zeitlosen Grundprinzipien.
Grundprinzipien der Neukundengewinnung
Markenpräsenz schaffen
Neukundengewinnung gelingt viel leichter, wenn die Zielgruppe die Marke bereits kennt. Eine starke, konsistente und crossmediale Markenpräsenz schafft die Grundlage für das Kaufinteresse. Sie erhöht die Bereitschaft potenzieller Kundinnen und Kunden, sich mit einem Angebot auseinanderzusetzen.
Zielgruppe verstehen
«Unternehmen müssen Bedürfnisse, Interessen und Probleme ihrer potenziellen Kundinnen und Kunden genau kennen, um passende Lösungen und Werbebotschaften zu entwickeln», erklärt Frank Hannich, Professor am Institut für Marketing Management der ZHAW. Heute entsteht dieses Wissen durch die Analyse von Bestandkundendaten und ausgiebiges Testen. «Darüber hinaus ist auch das Timing ein Schlüsselfaktor bei der Neukundenakquise», so Frank Hannich. «Wer seine Zielgruppe kennt, kann sie mit seinem Angebot genau dann erreichen, wenn sie offen dafür ist.»
Angebote mit hohem Nutzwert schaffen
Wer neue Kundinnen und Kunden gewinnen will, braucht Produkte und Dienstleistungen mit einem hohen Nutzwert. Entscheidend dabei ist, dass die Konsumierenden den Nutzen des Angebots klar erkennen. Denn nur wenn sie verstehen, wie das Produkt oder die Dienstleistung ihr Bedürfnis erfüllt oder ihr Problem löst, entsteht Interesse.
Vertrauen und Glaubwürdigkeit aufbauen
«Konsumierende müssen Vertrauen in die Marke und das Angebot fassen können», sagt Raymond Dettwiler, Dozent für Marketing- und Salesmanagement an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW). «Dies wird seit jeher durch eine authentische Kommunikation, konsistente Botschaften und den Nachweis von Kompetenz und Qualität erreicht.» Ein gängiges Mittel dafür sind beispielsweise Kundenreferenzen.
Auf Empfehlungen und Bewertungen setzen
Digitale Bewertungen wirken wie moderne Mund-zu-Mund-Propaganda und beeinflussen Kaufentscheidungen erheblich. Laut der Online-Bewertungsstudie 2024 des Software-Unternehmens Customer Alliance sind Online-Bewertungen heute ein zentrales Kaufkriterium: Zum Beispiel lassen sich 82 Prozent der Befragten bei der Wahl eines Hotels von Bewertungen beeinflussen, 79 Prozent bei der Wahl eines lokalen Unternehmens und 76 Prozent bei der Wahl einer Ärztin oder eines Arztes.
Netzwerk aktivieren und persönliche Kontakte nutzen
Besonders im B2B sind Netzwerke – geknüpft über persönliche Kontakte, Geschäftspartnerinnen oder bestehende Kunden – eine wertvolle Quelle für die Neukundengewinnung. Durch eine gezielte Ansprache innerhalb des Netzwerks lassen sich leichter Leads generieren, als wenn kein persönlicher Bezug besteht. «Natürlich haben sich viele Menschen an bestimmte Self-Services gewöhnt, zum Beispiel beim Kauf von Tickets. Je risikoreicher aber ein Kauf aus Kundensicht ist, desto eher braucht es noch einen persönlichen Kontakt», so Frank Hannich.
Leads erfassen, pflegen und überzeugen
Der Begriff «Lead Management» ist zwar relativ neu. Das Grundprinzip dahinter gilt aber schon lange: Für die Neukundengewinnung ist eine strukturierte Vorgehensweise beim Erfassen, Pflegen und Überzeugen von Interessentinnen und Interessenten essenziell. Mit einer regelmässigen Kommunikation und starken Argumenten werden sie Schritt für Schritt zu einem ersten Kauf geführt. Die Ansprache ist dabei immer auf ihre individuellen Bedürfnisse abgestimmt.
Diese Zahl erstaunt: Mehr als 30 Prozent der befragten Schweizer Unternehmen legen ihren Fokus gemäss der Sales Excellence Studie 2024 des Beratungsnetzwerks CustomersX vorwiegend auf die Kundenbindung und vernachlässigen die Neukundengewinnung. Kein Wunder, zählt diese doch zu den grössten Herausforderungen für Unternehmen und erfordert erhebliche Ressourcen – Zeit, Budget und vor allem Fachwissen.
Die Autoren der Studie ziehen daher eine klare Schlussfolgerung: «Es drängt sich der Verdacht auf, dass Kundenakquise als eher anstrengende Tätigkeit gerne ‹vergessen› wird.» Dabei ist die Neukundengewinnung seit jeher für die nachhaltige Unternehmensführung unerlässlich. Denn selbst bei einer intensiven Kundenbindung gehen immer wieder Kundinnen und Kunden verloren – etwa wegen veränderter Bedürfnisse, neuer Marktangebote oder weil sich ihre persönliche Situation ändert.
Aktuelle Ansätze und Technologien für die Neukundenakquisition
Auch wenn einige Grundprinzipien seit jeher gelten: In den letzten Jahren hat sich die Neukundengewinnung durch technologische Innovationen und veränderte Kommunikationsgewohnheiten erheblich gewandelt. «Die Verkaufskomplexität hat massiv zugenommen», so Raymond Dettwiler von der FHNW. «Sich ständig verändernde Kundenbedürfnisse, schnell wechselnde Sortimente, neue Kanäle und neue Technologien stellen viele Unternehmen vor grosse Herausforderungen.»
Wer im Wettbewerb bestehen will, muss mit diesen Entwicklungen Schritt halten. Folgende Ansätze und Technologien sind für die Akquisition neuer Kundinnen und Kunden besonders relevant geworden:
Personalisierung
Die heutigen Technologien erlauben es, Angebote und Kommunikationsinhalte individuell auf die Bedürfnisse und Präferenzen potenzieller Kundinnen und Kunden zuzuschneiden. Dies erhöht die Relevanz und die Effektivität von Massnahmen für die Neukundengewinnung. Aus Datenschutzgründen wird die individuelle Kommunikation heute meist nicht mehr auf einzelne Personen heruntergebrochen, sondern auf Personengruppen mit ähnlichen Merkmalen.
Beratung statt Verkaufspitches
Anstelle reiner Verkaufsstrategien setzen Unternehmen bei der Neukundengewinnung vermehrt auf eine beratende Rolle. Menschliche Berater und virtuelle Beratungslösungen dienen dem Ziel, Kundenbedürfnisse besser zu erkennen, Expertise und Mehrwert zu bieten sowie passende Lösungen vorzuschlagen.
Social Selling
Beim Social Selling geht es darum, über soziale Netzwerke authentische Beziehungen aufzubauen. Unternehmen interagieren aktiv mit ihrer Zielgruppe, teilen interessante Inhalte und beantworten Fragen. Im Vergleich mit traditionellen Verkaufsansätzen werden langfristigere Beziehungen aufgebaut, die über einmalige Verkäufe hinausgehen.
Automatisierung
Automatisierte Werbung eignet sich besonders gut, um potenzielle Kundinnen und Kunden systematisch durch den Sales Funnel zu führen und gleichzeitig interne Kapazitäten für strategische und kreative Aufgaben freizuhalten. Eine zentrale Rolle spielen dabei Marketing-Automation-Instrumente. Sie ermöglichen etwa, E-Mail-Kampagnen zu personalisieren und zu automatisieren.
Künstliche Intelligenz (KI)
Durch Technologien wie Machine Learning können zeitintensive Aufgaben der Neukundengewinnung wie die Recherche zu potenziellen Kundinnen und Kunden oder das Verfassen personalisierter E-Mails effizient abgewickelt werden. Dies verschafft Vertriebsmitarbeitenden mehr Zeit für persönliche Gespräche und den Aufbau nachhaltiger Kundenbeziehungen. Zudem setzen Onlineshops vermehrt auf KI-basierte Chatbots, die Konsumierende aktiv durch den Kaufprozess begleiten. Diese Chatbots beantworten nicht nur Fragen, sondern schlagen auch gezielt Produkte vor, die den Bedürfnissen und Interessen der Konsumierenden entsprechen.
Datengetriebene Akquisition
Daten sind die Grundlage für fundierte Entscheidungen in der Neukundenakquisition. Die Analyse von Kunden-, Performance- und Conversion-Daten hilft Unternehmen etwa dabei, die richtigen Zielgruppen in den erfolgversprechendsten Zielgebieten anzusprechen. Unter anderem zeigen Datenanalysen Merkmale und Affinitäten von Personengruppen, die besonders stark auf bisherige Kampagnen für die Neukundengewinnung reagiert haben.
Testing
Durch die digitalen Methoden der Neukundengewinnung hat sich das Testing vor der Umsetzung von Kampagnen etabliert. Üblich sind etwa A/B-Tests, um vorab den Erfolg verschiedener Werbemittel oder Textvarianten zu testen – etwa für die Betreffzeile von E-Mails oder die Headlines physischer Mailings.
Laufende Optimierung
Crossmediale Kampagnen zur Neukundenakquisition werden heute nach dem Start eng begleitet und optimiert. Die Kennzahlen des laufenden Monitorings zeigen unter anderem, ob Werbemittel ausgetauscht, die Gewichtung von Kanälen geändert oder das Volumen bei Dialogkanälen wie E-Mails angepasst werden muss.
Auch Non-Profit-Organisationen (NPOs) müssen immer wieder neue Spendende gewinnen. Läuft diese Akquise anders ab als bei gewinnorientierten Unternehmen? Ja, sagt Mirco Morgenthaler, Major Account Executive NPO bei Post Advertising: «Beim Fundraising für NPOs geht es nicht darum, Produkte und Dienstleistungen mit einem konkreten Gegenwert zu verkaufen, sondern Werte und ein gutes Gefühl zu vermitteln.» Deshalb unterscheide sich die Ansprache in der Spenderakquise grundlegend von der Neukundengewinnung in Unternehmen: «NPOs gehen emotionaler vor, denn Spendende sind ideologisch motiviert und wollen die Mission einer Organisation unterstützen.»
Doch ähnlich wie in der Marktwirtschaft, wo Leads oder Bestandskunden weiterentwickelt werden, versuchen auch NPOs, die Beziehung zu den Spendenden zu pflegen. «Sobald eine Erstspende generiert wurde, beginnt eine Welcome Journey», sagt Mirco Morgenthaler. «Den Spendenden wird gedankt und sie erhalten ab jetzt regelmässige Updates zu Projekten. Oft werden sie auch nach ihren Bedürfnissen und Interessen gefragt.» Diese systematische Kommunikation sei entscheidend, um die Spendenden zu binden und sie zu regelmässigen Unterstützern oder sogar zu Legatgebern zu machen.
Balanceakt zwischen Effektivität und Effizienz
Wer neue Kundinnen und Kunden gewinnen will, muss eine Strategie entwickeln, die sowohl wirksam als auch wirtschaftlich ist. Der Balanceakt zwischen Effektivität und Effizienz stellt Unternehmen vor die Herausforderung, ihre Ressourcen optimal einzusetzen, ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren. «Führung ist dabei enorm wichtig», sagt Raymond Dettwiler von der FHNW. «Neukundenakquisition muss also auch die Chefetage interessieren.»
Im Kern geht es darum, dass die eingesetzten Massnahmen tatsächlich neue Kundinnen und Kunden akquirieren und nachhaltige Geschäftsbeziehungen aufbauen (Effektivität) – und das mit möglichst geringem Aufwand (Effizienz). Folgende Tipps helfen den Werbetreibenden dabei, diese zwei Faktoren in Einklang zu bringen:
- Klare Prioritäten setzen, vor allem bei der Zielgruppe und dem Zielgebiet
- Instrumente zur Steigerung der Kosteneffizienz nutzen, zum Beispiel Automatisierungstools
- Anhand von Kennzahlen überprüfen, welcher crossmediale Mix bei Effektivität und Effizienz die besten Ergebnisse liefert
«Wer möglichst viele Neukunden zu einem angemessenen Preis gewinnen will, kommt nicht um einen datenbasierten Ansatz herum», so Frank Hannich von der ZHAW. «Nur wer testet und misst, findet die Balance zwischen Effektivität und Effizienz – und wird seine Marketingausgaben nicht länger als Kostenblock betrachten, sondern als Investition.»
Lead to Customer Rate
Sie zeigt, wie viele Leads tatsächlich zu zahlenden Kundinnen und Kunden werden. Somit gibt sie Aufschluss über die Qualität generierter Leads. Eine höhere Rate bedeutet, dass der Übergang von Interessenten zu Kunden effektiv funktioniert.
Conversion Rate
Die Conversion Rate misst den Anteil der Leads, die eine gewünschte Aktion ausführen – sei es eine Registrierung, ein Download oder ein Kauf. Sie ist ein zentraler Indikator für die Attraktivität des Angebots und die Wirksamkeit der Ansprache.
Customer Acquisition Cost
Diese Kennzahl gibt an, wie viel ein Unternehmen durchschnittlich investieren muss, um eine neue Kundin oder einen neuen Kunden zu gewinnen. Sie umfasst sowohl Marketing- als auch Vertriebskosten und ist essenziell, um die Effizienz der Leadgenerierung zu bewerten.
Sales Cycle Length
Die Länge des Verkaufszyklus bezieht sich auf die Zeit, die es braucht, um potenzielle Kundinnen und Kunden zu einem Kauf zu bewegen. Ein kurzer Verkaufszyklus ist oft ein Indikator für eine erfolgreiche Vertriebsstrategie.
Budget für Neukundenakquisition ermitteln
Wie hoch Unternehmen ihr Budget für die Neukundenakquisition ansetzen, hängt von vielen Faktoren ab: unter anderem vom Bekanntheitsgrad der Marke, den vorhandenen Ressourcen, den Unternehmens- und Marketingzielen (kurzfristige Umsatzsteigerung vs. langfristiges Wachstum), der Zielgruppe, dem Zielgebiet, der Branche, dem Angebot – und natürlich vom Wettbewerb. Um trotz dieser Komplexität ein Budget festlegen zu können, bieten sich unter anderem drei Herangehensweisen an:
- Erfahrungswerte nutzen: Von den Erkenntnissen früherer Kampagnen zur Neukundengewinnung leitet das Marketingteam ab, welches Budget erforderlich ist, um die Ziele zu erreichen. Im besten Fall sind zusätzlich Benchmarks aus der Branche bekannt, um die eigene Budgethöhe zu überprüfen.
- Pilotkampagne durchführen: Verfügt ein Unternehmen noch über keine Erfahrungswerte, kann es eine Pilotkampagne durchführen. Sie liefert erste Anhaltspunkte zum benötigten Budget, bevor grössere Summen investiert werden.
- Kosten schätzen: Statt ein Budget vorzugeben und die Kampagne daran auszurichten, können Unternehmen umgekehrt vorgehen. In diesem Fall bestimmen sie die Massnahmen und den crossmedialen Mix einer wirkungsvollen Kampagne, stellen die geschätzten Kosten dafür zusammen und ermitteln dadurch die benötigten Ressourcen.
So oder so ist das Budget für die Neukundenakquisition heute eine weniger fixe Grösse als früher. Denn es erfordert einen Spielraum für die laufende Optimierung der Kampagne. Ein fiktives Beispiel dafür:
Bei einer zweistufigen crossmedialen Kampagne klicken deutlich mehr Personen als erwartet auf die Links in den E-Mails, die in der ersten Phase verschickt werden. Die Kampagne ist also ein voller Erfolg. Dies führt nun dazu, dass in der zweiten Phase mehr Postkarten als handlungsauslösendes Instrument an die Reagierer verschickt werden als geplant. Dadurch muss zwar das Budget aufgestockt werden – was aber aufgrund des grossen Interesses der Zielgruppe eine sinnvolle Investition ist.
Trends für die Kundengewinnung von morgen
Da bleibt noch die Frage: Wie entwickelt sich die Neukundenakquisition in Zukunft? Neben dem Vormarsch der KI nennt Marketingexperte Frank Hannich zwei weitere Trends: «Erstens wird in Branchen, die stark automatisiert sind, der persönliche Kontakt wieder wichtiger – zum Beispiel mit Event-Marketing. Zweitens wird die Emotionalisierung noch bedeutender: Unternehmen, die Emotionen gezielt einsetzen, können sich von der Konkurrenz abheben und langfristige Kundenbindungen aufbauen.»
Darüber hinaus rät Frank Hannich den Unternehmen, Wege zu finden, um die Komplexität des Verkaufens wieder zu reduzieren: «KI und Automatisierung sollten ihnen das eigentlich ermöglichen. Damit es tatsächlich gelingt, müssen Unternehmen diese Technologien aber sinnvoll implementieren – und vor allem die Mitarbeitenden in den Wandel einbinden.»