Wie Crossmedia in der Praxis funktioniert Sechs Fachleute über ihre Erfahrungen mit crossmedialer Kommunikation
Die Werbewirkung von crossmedialer Kommunikation ist dem herkömmlichen Vorgehen in Einzelkanälen haushoch überlegen. Doch wie funktioniert Crossmedia bei der Umsetzung von Kampagnen in der Praxis? Sechs Fachleute aus dem Werbemarkt berichten von ihren Erfahrungen.
Alle relevanten Touchtpoints in die Customer Journey integrieren
Für unsere Kunden ist crossmediales Medienverhalten längst Alltag. Sie nutzen unsere Website als Informationsquelle, bevor sie das Produkt in einem unserer Spielwarenhäuser kaufen. Oder sie lassen sich in einer unserer Filialen beraten und die Ware dann nach Hause liefern. Diese funktionelle Vernetzung von Online- und Offlinekanälen erhöht den Einkaufskomfort und die Kundenzufriedenheit. Von uns erfordert sie, alle relevanten Kontaktpunkte in die Customer Journey zu integrieren und den ganzheitlichen Ansatz des Cross-Channel-Marketings zu beherrschen – Lieferketten und -termine inklusive. Obwohl die Verkaufsförderung kanalbezogen verläuft, können wir durch unser ausgereiftes Storytelling über mehrere Kanäle hinweg Synergien nutzen. Dazu verknüpfen wir zum Beispiel unsere Onlinemassnahmen mit physischen Mailings. Die Kunden erleben diese Ansprache als vertrauenswürdig und wertschätzend, erinnern sich daran und reagieren darauf. So soll es sein.
Roger Bühler, CEO Franz Carl Weber AG
Auch physische Mailings automatisiert verschicken
Als Plattformbetreiber mit mehreren grossen Onlineshops setzen wir immer mehr auf crossmediales Marketing. Unsere Erfahrung zeigt, dass die Kombination von digitalen und physischen Kanälen die Wirkung steigert. Ein erfolgreiches Beispiel: Als Promotion für unsere Onlineshops verschicken wir Postkarten mit Gutscheincodes. Kurz vor Ablauf der Codes erinnern wir die Empfänger per E-Mail daran. So erzielen wir deutlich höhere Einlösequoten. Künftig wollen wir einerseits die Marketing Automation ausbauen, indem wir auch physische Mailings automatisiert verschicken, und andererseits die Personalisierung verstärken. Dabei ist es uns wichtig, die User weiterhin nicht mit Werbung zu bombardieren, sondern immer den Kundennutzen im Blick zu behalten.
Claudia Tenzer, Marketing-Projektmanagerin SwissCommerce AG
Wiedererkennung auf allen Kanälen sicherstellen
Wer nur noch seine Performance in den Suchmaschinen und auf den sozialen Medien im Blick hat, denkt zu kurzfristig. Marketing dieser Art kann sich zum Boomerang entwickeln. Denn langfristig hat es ein solcher Brand schwer am Markt und bekommt ein Margenproblem. Für Branding und Awareness ist klassische Werbung nach wie vor enorm wichtig. Das physische Mailing etwa erhält in der digitalen Flut wieder mehr Gewicht, weil es viel persönlicher wirkt als eine E-Mail. Beim Zusammenspiel von Online und Offline finde ich zwei Punkte besonders wichtig: Erstens muss die Wiedererkennung auf sämtlichen Kanälen gegeben sein, vor allem durch die Bildsprache. Zweitens gilt es, die verschiedenen Massnahmen zeitlich gut aufeinander abzustimmen. Nur wenn Imagewerbung über klassische Kanäle früh genug läuft, sorgt sie dafür, dass für die Kunden bei einer späteren Onlinekampagne noch etwas anderes zählt als der Preis.
Remo Baumeler, Managing Director audienzz AG & NZZone
Spezialisten zu einem virtuellen Team formen
Der Wunsch nach Cross-Channel-Kommunikation ist heute in den meisten Briefings bereits die Regel. Gleichzeitig zeigt meine Erfahrung, dass es praktisch keine Allrounder mehr gibt, die für jeden Werbekanal über die nötigen Detailkenntnisse verfügen. Daraus ergeben sich für uns als Agentur zwei Herausforderungen: erstens alle diese Spezialisten an Bord zu haben und sie zweitens für jedes neue Projekt zu einem virtuellen Team zu formen, das integriert zusammenarbeitet. Die Hauptverantwortung für das Projekt muss aber bei einem Single-Point-of-Contact liegen, der das Ganze orchestriert und dem Kunden als Eingangstor in die Agentur dient. Dadurch gewährleisten wir, dass die Kommunikation aus einem Guss daherkommt, der Kunde nur eine Ansprechperson hat und trotzdem jeder einzelne Kanal konsequent auf die Ziele des Projekts einzahlt. Entsprechend gilt für uns bei der Kanalwahl: Am Schluss zählt nur der Kampagnenerfolg. Wir entscheiden uns je nach Branche des Kunden, seinen Zielgruppen und den KPIs für die geeignetsten Kanäle.
Pam Hügli, CEO & Partner Serviceplan Suisse AG
Dort sein, wo der Kunde einen erwartet
Mit Cross-Channel-Marketing begleiten wir die Konsumentinnen und Konsumenten gezielt in den verschiedenen Phasen ihrer Customer Journey. So bereichern wir ihre Erlebnisse mit unserer Marke. Wir nutzen die kanalübergreifende Kommunikation insbesondere, um unsere 360-Grad-Kommunikationskampagnen auszurollen und so unseren Botschaften eine optimale Sichtbarkeit zu verleihen. Es geht darum, dort zu sein, wo der Kunde einen erwartet, aber auch darum, ihn zu überraschen. Zu den Erfolgsfaktoren einer solchen Strategie gehört, die Botschaften auf den Kontext des jeweiligen Kanals abzustimmen und mit der Komplementarität der Kanäle zu spielen – indem man zum Beispiel ermöglicht, online verkaufte Produkte in einem Pop-up-Store anzusehen.
Sidonie Laffaille, Directrice Marketing, La Redoute Suisse
«Kreativität und Analytics schliessen sich nicht aus» 3 Fragen an Oliver Egger, Geschäftsführer Medien- und Werbemarkt, Post CH AG
Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich bei der crossmedialen Kommunikation?
Aus der Schule wissen wir: Wir lernen dann am besten, wenn wir uns mit dem Schulstoff nicht nur einmal, sondern mehrmals auseinandersetzen – am besten hörend, lesend, allenfalls sogar tastend. Dasselbe gilt für die Werbung. Sie funktioniert nicht, wenn wir ein einzelnes Plakat oder einen einzelnen TV-Spot sehen. Dann vergessen wir die Botschaft wieder. Vielmehr reagieren wir auf Werbung, wenn sie uns auf verschiedenen, aufeinander abgestimmten Kanälen gezeigt wird: morgens beim Lesen der ersten News auf dem Smartphone als Banner auf der Newsseite, später im Bus auf dem Bildschirm vorne beim Fahrer, dann erneut im Büro und schliesslich am Abend zu Hause in der Post durch einen Werbebrief. Dieses Potenzial ist riesig – und weitgehend ungenutzt. Die intelligente Verknüpfung verschiedener Kommunikationskanäle ist also das grosse Thema für die Kommunikation der Zukunft. Aber: Die Mediaplanung funktioniert heute noch wie vor zwanzig Jahren. Unternehmen oder ihre Agenturen buchen einzelne Kanäle wie Printmedien, TV, Aussenwerbung und natürlich Onlinewerbung. Eine wirkliche Crossmedialität findet praktisch nicht statt, weil es nach wie vor wenige taugliche Konzepte dafür gibt und weil die crossmediale Kommunikation nicht trivial in der Herstellung ist. Man muss den Kunden sehr gut kennen. Es braucht Daten und entsprechende technische Möglichkeiten.
Welches sind die Erfolgsfaktoren für ein optimales Zusammenspiel von Offline und Online?
Kommunikation funktioniert online und offline nicht gleich. Auf digitalen Kanälen müssen Unternehmen anders kommunizieren als offline: kürzer, farbiger, bewegter. Hingegen befinden sich die Leute dann, wenn sie für Offlinekommunikation zugänglich sind, oft in einem anderen Kontext. Zu Hause etwa haben sie mehr Zeit, Werbung anzusehen. Eine Kampagne sollte darum nicht mehr in einzelnen Kanälen, sondern als abgestimmtes Zusammenspiel von verschiedenen Online- und Offlinekanälen konzipiert werden. Dann funktioniert sie und die Werbewirkung ist dem herkömmlichen Vorgehen in Einzelkanälen haushoch überlegen.
Wie gelingt bei crossmedialer Kommunikation die richtige Balance von Kreativität und Analytics?
Ohne Kreativität und Emotionen funktioniert auch crossmediale Kommunikation nicht. Kein Algorithmus kann Emotionen produzieren. Doch Kreativität und Analytics schliessen sich nicht aus. Im Gegenteil: Der Umgang mit Daten und Analysen ist ein sehr kreativer Prozess. Es sind also gute Zeiten für kreative Menschen, die sich im Marketing- und Kommunikationsumfeld bewegen – im Umfeld von Analytics, aber genauso bei der Kreation crossmedialer Kampagnen.