Nachhaltig werben heisst effizient werben Wie Werbung die Umwelt weniger belastet
Tobias Zehnder (Webrepublic), der am Klimapaket der Leading Swiss Agencies (LSA) mitgearbeitet hat, und Paul Fischer von dpsuisse, dem Dachverband Print- und Medienindustrie, diskutieren über ein Thema, das keine einfachen Lösungen kennt. Klar ist lediglich: Wer seine Mittel effizient einsetzt, schont nicht nur das Budget, sondern auch die Umwelt.
Was ist nachhaltige Werbung?
Tobias Zehnder (TZ): Nachhaltige Werbung ist Werbung mit positiver Wirkung. Im engeren Wortsinn verursacht nachhaltige Werbung einen geringen CO2-Ausstoss. Oder anders gesagt, jede Werbung, die unsere Gesellschaft nachhaltiger macht, ist nachhaltige Werbung. So gesehen gibt es allerdings keine nachhaltige Werbung, denn jede Werbung kurbelt den Konsum an, und der verursacht CO2. Für den LSA gibt es deswegen aber keinen Grund, nichts zu machen: Wir wollen nachhaltiger werben – auch wenn das ein Widerspruch in sich ist. Es geht ja nicht darum, die Umwelt gar nicht mehr, sondern weniger zu belasten.
Paul Fischer (PF): Ich stimme mit Tobias Zehnder überein: Nachhaltig ist Werbung dann, wenn sie Erfolg hat, etwas auslöst und eine bleibende Wirkung hat. Im engeren Sinn des Wortes verursacht nachhaltige Werbung möglichst wenig CO2.
Was ist das Ziel nachhaltiger Werbung?
PF: Das Ziel der grafischen Industrie ist es – übrigens nicht erst seit heute – Emissionen grundsätzlich zu vermindern und zu verhindern. Dazu gehören nebst dem effizienten Umgang mit den Ressourcen die Verwendung von Recyclingpapier, zertifiziertes Papier wie FSC oder PEFC, VOC-freie Lösungsmittel – VOC sind flüchtige organische Verbindungen – und die chemikalienfreie Plattenherstellung.
TZ: Wir wollen nicht nur das CO2 reduzieren, aber auch die Gesellschaft für das Thema sensibilisieren.
Wie kann Werbung denn nachhaltig werden?
PF: Betrachten wir nur die Printwerbung, so ist diese per se schon nachhaltig. Denn die grafische Industrie ist eine Kreislaufwirtschaft. Papier wird zigmal rezykliert und ist kein Abfall, sondern ein Rohstoff, der aus der nachwachsenden Ressource Holz gewonnen wird. Eine reine Betrachtung des CO2-Ausstosses eines einzelnen Printprodukts greift zu kurz. Denn heute werden Printprodukte viel gezielter eingesetzt.
TZ: Wenn wir nur die Werbemittel anschauen: Plakat und Kino sind am klimafreundlichsten, eine Hochglanzbroschüre mit Prägedruck steht am anderen Ende der Skala. Doch der Einsatz der Werbemittel ist abhängig von den Zielen, die eine Kampagne verfolgt. Erreicht sie diese auf möglichst effiziente Weise, wenn also Aufwand und Ertrag in einem optimalen Verhältnis zueinander stehen, dann ist die Kampagne nicht nur nachhaltig, sondern schont auch das Budget. So gesehen können wenige, sehr gezielt eingesetzte Broschüren, nachhaltiger sein als ein flächendeckend eingesetztes Plakat.
Mit welchen Tools lässt sich der ökologische Fussabdruck von Werbung berechnen?
TZ: Green GRP ist ein Berechnungsmodell, um die CO2-Emmissionen der Kreation, Produktion und Distribution einer Werbekampagne zu erfassen und zu kompensieren. Der Rechner wird von dem auf Klimaschutz-Lösungen spezialisierten Unternehmen ClimatePartner laufend aktualisiert und mit zusätzlichen Kanälen ergänzt, sowie auf den Schweizer Markt und Strommix angepasst. Es ist aber nur ein Modell, und ersetzt nicht die vertiefte Auseinandersetzung mit dem Thema.
PF: Auch für Printprodukte gibt es verschiedene Rechner, doch wie gesagt, braucht es immer eine Gesamtbetrachtung.
Welches sind die grössten Hebel?
PF: Print on demand, das heisst bedarfsorientiertes Drucken, wird noch mehr als heute zum Industriestandard in der grafischen Branche. Damit muss nur genau soviel gedruckt werden, wie gebraucht wird. Was gesamthaft gesehen zu einer geringeren Belastung der Umwelt führt. Ausserdem können die Kommunikationsmittel so einfacher aktualisiert werden.
TZ: Wenn Agenturen ihren eigenen CO2-Fussabdruck reduzieren, so macht das etwa 5-10 Prozent der Gesamtbelastung aus. Beim Mediaplan beträgt der Hebel 40 bis 50 Prozent. Am meisten bewirkt man jedoch, wenn die Kunden ihr Verhalten verändern: Dass sie beispielsweise als Preis eines Wettbewerbs nicht eine Reise auf die Malediven wählen, sondern ein Wellness-Wochenende in Vals. Das bedingt ein gutes Zusammenspiel zwischen Agentur und Kunden. Und für die Agenturen gilt: Challenge the Brief!
Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit heute in der Werbung?
PF: In der grafischen Industrie ist Nachhaltigkeit schon lange ein Thema. Weil es ja auch ökonomische Gründe gibt, den Ressourcenaufwand zu vermindern. Nachhaltigkeit wird auch von den Kunden erwartet, doch die meisten von ihnen sind preissensitiv, das muss man klar sehen. Ich schätze, dass weniger als 10 Prozent der Kunden den Schutz der Umwelt wirklich höher gewichten als den Preis.
TZ: Für das Thema interessieren sich viele. Wirkliche Commitments für die Nachhaltigkeit sind jedoch selten. Wir kennen aber auch Kunden, die mit ihrer Nachhaltigkeitsstrategie ernst machen und als Ausgleich für ihre Klimabelastung einen internen Klimafonds speisen, aus dem nachhaltige Projekte finanziert werden.
Leading Swiss Agencies (LSA), der Verband der führenden Kommunikationsagenturen der Schweiz, hat ein Klimaschutzpaket lanciert. Der LSA will Agenturen mit konkreten Richtlinien helfen, den eigenen Betrieb möglichst nachhaltig aufzustellen, Produktionen (TV, etc.) in Bezug auf Klimaschutz zu optimieren, die Media-Ausspielung diesbezüglich besser zu steuern und die Kunden grundsätzlich in der Werbesteuerung zu beraten.
Das Paket umfasst fünf Handlungsschritte:
- An erster Stelle steht die Berechnung des eigenen Corporate Carbon Footprints als Grundlage für die Reduktion der betrieblichen Emissionen.
- Im zweiten Schritt können sich LSA-Agenturen anhand eines Leitfadens mit der Reduktion von Emissionen von Werbeproduktionen befassen.
- In einem nächsten Schritt bietet der LSA seinen Mitgliedsagenturen in Zusammenarbeit mit ClimatePartner die Möglichkeit, mittels dem international anerkannten Green GRP den Carbon Footprint von Kampagnen zu berechnen.
- In einem vierten Schritt sollen die Agenturen nachhaltigere Entscheidungen und Verhaltensweisen der Konsumenten fördern.
- In einem letzten Schritt sollen die LSA-Agenturen ihre Erfahrungen untereinander auf einer Plattform austauschen können.