Darum ist Direktwerbung zur Nummer 1 geworden

Darum ist Direktwerbung zur Nummer 1 geworden Expertengespräch zu den Resultaten der Werbestatistik 2020

Gemäss der neusten Werbestatistik war Direktwerbung 2020 erstmals die grösste Mediengattung im Schweizer Werbemarkt – eine echte Premiere. Über die Gründe und die Folgen für die Werbetreibenden diskutieren drei Experten: Roland Ehrler, Direktor des Schweizer Werbe-Auftraggeberverbands, Marc Sele, Director of Data and Tools der WEMF AG für Werbemedienforschung und Oliver Egger, Geschäftsführer Medien- und Werbemarkt der Schweizerischen Post.

Gemäss der Werbestatistik 2020 hat sich Direktwerbung zur grössten Mediengattung im Schweizer Werbemarkt entwickelt. Das zeigt ihre starke Wirkung.

Der Schweizer Werbemarkt ging 2020 um 16% zurück. Hand aufs Herz: Welchen Rückgang hatten Sie erwartet?

Marc Sele (MS): Ich hatte ein Minus in dieser Grössenordnung erwartet. Der Wert erscheint mir absolut plausibel. Schliesslich machte es für die meisten Unternehmen während des Lockdowns im Frühling rund zwei Monate lang wenig Sinn, Werbung zu schalten. Ende Jahr gab es für einige Branchen erneut Einschränkungen oder sogar Schliessungen. Angesichts dieser schwierigen Umstände zeigte sich der Werbemarkt einigermassen robust.

Roland Ehrler (RE): Mich hätte es nicht überrascht, wenn die Nettozahlen der Werbestatistik 2020 mehr als 16% zurückgegangen wären. Denn bei den Bruttozahlen hatte Media Focus zuvor bereits einen Rückgang um 14% publiziert. Die beiden Messungen unterscheiden sich zwar bezüglich Warenkorb und Erhebung, haben aber trotzdem viele Gemeinsamkeiten. Aus meiner Sicht sind die Schweizer Medienhäuser in der Pandemie also mit einem blauen Auge davongekommen.

Direktwerbung war 2020 mit einem Marktanteil von 22% die grösste Mediengattung im Werbemarkt. Hat Sie das überrascht?

RE: Nein. Der Anteil der Direktwerbung war ja in den letzten Jahren konstant hoch – im Gegensatz zur Gattung Print, die schon länger unter grossem Druck steht. Vor zehn Jahren betrugen die Umsätze dort rund zwei Milliarden Franken, vor fünf Jahren 1,4 Milliarden und 2020 nur noch 727 Millionen. Dieser Einbruch hat dafür gesorgt, dass die Direktwerbung nun erstmals an die Spitze gerückt ist.

MS: Mich hat diese Entwicklung ebenfalls nicht überrascht. Vom Volumen her war die Direktwerbung immer schon eine starke Gattung. Neu ist, dass sie beim Marktanteil die Printwerbung überholt hat. Für die Schweizer Werbebranche gesehen, war Direktwerbung 2020 tatsächlich die grösste Mediengattung. Doch bei den Onlinemedien erfassen wir für die Werbestatistik nur die Umsätze der Schweizer Publisher und nicht die Abflüsse ins Ausland. Berücksichtigt man auch das in der Schweiz generierte Volumen der grossen ausländischen Netzwerke wie Google oder Facebook, sehen die Marktanteile anders aus.

Im Vergleich zum Gesamtmarkt gingen die Nettoumsätze bei der Direktwerbung viel weniger zurück, nämlich um «nur» knapp 7%. Bei keiner anderen Mediengattung war die Abnahme so gering. Worauf führen Sie das zurück?

Oliver Egger (OE): Auf einen der grossen Vorteile von Direktwerbung: Physische Mailings erreichen die Menschen dort, wo sie sich am ehesten mit Werbung beschäftigen – zu Hause. Diesen Vorteil erkannten in der durch Corona geprägten Zeit viele Werbetreibende. Sie sorgten dafür, dass ihr Produkt buchstäblich auf dem Küchentisch der Zielpersonen präsent war.

RE: Um eine solche Beachtung muss Werbung in anderen Gattungen kämpfen. Ich denke da etwa an einen einzelnen Werbespot in einem TV-Werbeblock von zehn Minuten. Darum ist die Direktwerbung ein Evergreen und kann sich gut im Mediamix halten. In der immer digitaleren Welt erhält die physische Werbung einen noch stärkeren USP als Gegentrend zum Schnelllebigen. Oder bildlich gesprochen: Bei dem vielen werberischen Fastfood von heute hebt sich Direktwerbung als Slowfood ab.

MS: Zusätzlich kam der Direktwerbung zugute, dass sie vor allem für den Abverkauf genutzt wird. Darauf legten die Unternehmen 2020 einen stärkeren Fokus als etwa auf Imagekampagnen.

Einen entscheidenden Faktor dafür, wie sich eine Werbegattung im Coronajahr 2020 entwickelte, sehen Sie bei der Nutzung zu Hause. Dem könnte man entgegnen: Printprodukte lesen die Leute ja auch zu Hause. Warum haben sie dann so stark verloren?

MS: Printmedien werden viel breiter genutzt – im Büro, beim Coiffeur, im ÖV. Gerade die Pendlermedien sind grosse Player im Printmarkt. Weil 2020 kaum noch gependelt wurde, fuhren die Werbetreibenden ihr Inseratevolumen in diesen Medien zurück. Bei der Radiowerbung wiederum zeigte sich ein anderer Effekt: Hier machen Sponsoringeinnahmen einen beträchtlichen Teil des Werbevolumens aus. Wegen der abgesagten Veranstaltungen brachen diese Erträge ein.

OE: Bei der TV-Werbung ist mir aufgefallen, mit welchen massiven Preissenkungen die TV-Vermarkter bei den Lockdowns auf die Werbekunden losgingen. Wir hingegen brauchten die Umsätze nicht zu erkaufen und verzichteten auf Preisnachlässe. Die Mengenentwicklung der vergangenen Monate bei der Direktwerbung gibt uns recht: Den Rückgang bei der zweiten Coronawelle haben wir schon fast wieder wettgemacht. Das liegt daran, dass die Marketingbudgets auf Jahresbasis gesprochen sind. Offensichtlich ist das Geld vorhanden und die Werbetreibenden wollen nun in der Erholungsphase den Werbedruck erhöhen.

Wird der neue Stellenwert des Zuhauses auch nach Corona bestehen bleiben?

OE: Eine Prognose dazu gleicht dem Blick in die Glaskugel. Aber es sprechen gute Gründe dafür, dass das Zuhause seinen höheren Stellenwert behält. Vor Corona hätte niemand für möglich gehalten, wie viel eine Volkswirtschaft aus dem Homeoffice heraus leisten kann. Diese Erfahrung lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Alle, die früher behaupteten, von zu Hause aus würden die Mitarbeitenden schwach performen, wurden eines Besseren belehrt. Unternehmen haben nun ein Interesse daran, dass die Mitarbeitenden zumindest für einen Teil ihres Pensums weiterhin im Homeoffice arbeiten. Werbung, welche die Leute zu Hause erreicht, bleibt also attraktiv.

RE: Für die Werbeauftraggeber und ihre Medienagenturen bedeutet das: Bei der Analyse zur Mediennutzung ihrer Zielgruppen und bei der Medienplanung müssen sie das Homeoffice stärker berücksichtigen. Sie sollten die Möglichkeit nutzen, den Konsumentinnen und Konsumenten mit ihrer Werbung zu Hause eine Abwechslung zu bieten. Dass diese Chance besteht, sehe ich bei mir selbst. Vor Corona las ich die Post meist abends. Direktwerbung landete rasch auf dem Stapel fürs Altpapier. Seit ich mehr zu Hause bin, beachte ich sie deutlich stärker.

Interessanterweise zeigt sich in der Werbestatistik 2020 ein klarer Unterschied zwischen adressierter und unadressierter Direktwerbung – obwohl beides die Leute zu Hause erreicht. Die Werbeauftraggeber hielten dem adressierten Mailing auch in der Krise stärker die Treue. Welche Gründe sehen Sie dafür?

RE: Adressierte Mailings verschicken vor allem Unternehmen, die ihre Kundinnen und Kunden gezielt und personalisiert ansprechen wollen. Dazu gehören etwa Banken und Versicherungen, deren Geschäft im Jahr 2020 trotz Corona mehrheitlich normal weiterlief. Andere Branchen mussten vor allem beim Lockdown im Frühjahr 2020 ihre Werbung stoppen oder Kampagnen verschieben. So fehlten etwa viele Werbeflyer der Autobranche für ihre neuen Modelle, die sonst jeweils im Frühling erscheinen. Gleichzeitig gab es bei den Fast Moving Consumer Goods eine grosse Inlandnachfrage sowie einen starken Boom für den ganzen E-Commerce. Das alles hat bis heute Spuren im Mediamix hinterlassen.

OE: Ich sehe noch zwei weitere Gründe dafür, dass Unternehmen der adressierten Direktwerbung den Vorzug geben. Erstens ermöglicht sie ein genaueres Targeting als unadressierte – aus Sicht der Werbetreibenden ein wichtiger Vorteil. Zweitens wird adressierte Werbung häufig als Beilage verschickt, etwa mit einer Rechnung oder einem Bankauszug. Bei solchen Briefen ist die Öffnungsrate sehr hoch. Von dieser Aufmerksamkeit profitiert die mitgelieferte Werbung.

Was in der Werbestatistik 2020 weiter auffällt: Trotz des Digitalisierungsschubs durch Corona nahmen die Werbeumsätze im Onlinebereich nicht zu, sondern ab – und mit 11% erst noch deutlich stärker als jene der Direktwerbung. Ist das ein Hinweis darauf, dass der Online-Hype der letzten Jahre generell abflacht?

MS: Bei diesem Resultat gilt es zu differenzieren. Einen massiven Rückgang haben primär die Jobrubriken erlebt. Bei der Displaywerbung hingegen ist er vergleichbar mit der Direktwerbung. Was aber zutrifft: Wir beobachten bei der Onlinewerbung eine Abflachung der Wachstumskurve. Das war schon 2019 so – zumindest beim Volumen der Schweizer Publisher, die unsere Statistik abbildet. Berücksichtigt man auch die Abflüsse ins Ausland, zeigt sich nach wie vor ein höheres Wachstum. Für die kommenden Jahre gehen wir davon aus, dass die Werbeumsätze im Onlinebereich weiterhin steigen werden, jedoch nicht mehr so stark wie beim grössten Hype vor vier oder fünf Jahren. In welchem Mass die Schweizer Publisher von dieser Entwicklung profitieren können, ist eine andere Frage.

Welche Bedeutung im Werbemix sehen Sie in den kommenden Jahren für die Direktwerbung?

OE: Zweifelsohne wählen die Werbetreibenden jenen Werbemix, der am wirkungsvollsten ist. Und beim physischen Mailing haben sie gerade im vergangenen Jahr gemerkt, dass es wirkt. Deshalb behält es seinen hohen Stellenwert.

RE: Ich sehe das gleich. Die Direktwerbung hat gute Chancen, in den nächsten Jahren ihren 1. Platz im Werbemix zu verteidigen. Die Anbieter in diesem Bereich dürften aber noch mehr ins Gattungsmarketing investieren – also den Werbeauftraggebern die Vorteile der Mediengattung Direktwerbung vor Augen führen. Die Vertreter anderer Gattungen bombardieren die Werbetreibenden regelrecht mit Wirkungsstudien und Best Cases. Im Vergleich dazu sehe ich bei der Direktwerbung Bedarf, mit mehr Forschung und mehr Zahlen Transparenz zu schaffen: Wie und von wem werden adressierte und unadressierte Mailings eingesetzt? Denn die Werbeauftraggeber wollen Transparenz dazu, wie andere Marktteilnehmer investieren. Die Antworten dazu könnte zum Beispiel ein Panel liefern. Solche Massnahmen sollten jetzt intensiviert werden, um das Potenzial der Direktwerbung besser zu erschliessen und einen Gegentrend zu den digitalen Kanälen zu setzen.

OE: Die gesamten Nettoausgaben in der Schweiz sind – vom «Coronaknick» abgesehen – in den letzten Jahren stabil geblieben. Doch die Verschiebung zwischen den Mediengattungen hält an. Die Printwerbung nimmt kontinuierlich ab, TV- und Kinowerbung geraten ebenfalls unter Druck, während die Onlinewerbung nach wie vor zulegt, besonders das Mobile Advertising. Im Out-of-Home-Bereich wiederum sind die digitalen Plakate ein spannendes Wachstumsfeld. Warum ich diese Trends aufzähle? Sie zeigen, dass sich der Werbemix weiter verändert und verbreitert. Für die Post bedeutet das, einerseits an der Direktwerbung festzuhalten und andererseits zusätzliche Angebote zu schaffen. Unseren Werbekunden empfehlen wir schon seit Langem eine crossmediale Kommunikation. Wir tun gut daran, auch selbst noch mehr kombinierte Werbemassnahmen anzubieten.

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Ich will mich beraten lassen

Roland Ehler
Direktor des Schweizer Werbe-Auftraggeberverbands
Marc Sele
Director of Data and Tools der WEMF AG für Werbemedienforschung
Oliver Egger
Geschäftsführer Medien- und Werbemarkt der Schweizerischen Post.