Sprachtonalität ist kontextabhängig Werberisch, narrativ oder faktenbasiert: Sprache muss sich anpassen
Die Kontaktsituation variiert je nach Werbemittel, Kanal oder Medium stark. Ebenso die Erwartungen der Zielgruppe, deren Vorwissen und Bedürfnisse. Beim Schreiben ist es wichtig, den jeweiligen Kontext zu berücksichtigen und die Sprachtonalität darauf auszurichten.
Manche Informationen lesen wir spontan im Vorbeifahren auf einem Plakat, andere suchen wir gezielt und oft unter Erfolgsdruck auf der Website eines Unternehmens, wieder anderen begegnen wir beim gemütlichen Stöbern im Internet. Diese Kontaktsituation ist der wichtigste Indikator für die Tonalität – also die Art und Weise der Ansprache und des Klangs. Auch die sprachliche Positionierung des Unternehmens und das Ziel der Aktivität spielen eine Rolle. Wichtig sind weiter das Profil der Zielgruppe und die Möglichkeiten, welche das Medium bietet. So unterscheidet sich zum Beispiel Werbung auf bezahlten Kanälen sprachlich stark von Inhalten auf eigenen Plattformen.
Kriterien, welche die Sprachtonalität beeinflussen
Unternehmen
- Corporate Wording: Sprachpositionierung
- Wirkungsraum: regional, international, global
- Kommunikationsziel: Image positiv beeinflussen, Einstellung verändern, Bekanntheit aufbauen, informieren, Aufmerksamkeit erzeugen, Interesse wecken, verkaufen, Bindung stärken usw.
Zielgruppe
- Soziodemografische Kriterien: Alter, Wohnort, Wohnform, Beruf, Bildung usw.
- Mediennutzungsverhalten: Medien, Endgeräte
- Erwartung/Bedürfnis: Hintergrundinformationen, Nutzen (Mehrwert), Wissen, Unterhaltung usw.
- Wissen: Vorwissen der Zielgruppe
- Sprache: Sprachstilgruppe (eher gefühlsbetont, rational, konservativ oder intuitiv)
- Kontaktsituation: auf Informationssuche, in Kauflaune, am Autofahren, am gemütlichen Lesen, mit etwas anderem beschäftigt usw.
- Soziokulturelle Trends: Megatrend Individualisierung, Änderung des Kommunikations-, Informations- und Kaufverhaltens durch Internet und Social Web
Medium/Kanal
- Art: Trägermedium (Paid/Earned) oder eigene Plattform (Owned), Online/Offline, Push/Pull
- Formale Eigenheiten: Bildschirm-, Plakat- oder Inseratgrösse, Interaktivität, Format, Reichweite usw.
- Inhaltliche Eigenheiten: Thematische Ausrichtung des Trägermediums, Positionierung, Umfeld
- Zeitpunkt: Jahreszeit, Tageszeit, Wochentag der Publikation
- Werbemittel: Textsorte, Ansprache, Umfang usw.
Sprachtonalität von Unternehmen verändert sich
Konsumentinnen und Konsumenten suchen sich die Informationen heute aktiv im Netz – und wer sucht, möchte keine oberflächlichen und suggestiven Werbetexte finden, sondern Textsorten mit Gehalt und Nutzwert. Um ihr Vertrauen zu gewinnen, müssen Unternehmen relevante Inhalte bieten und authentisch und ehrlich berichten. So können sie die verlorene Kontrolle im Netz wieder ein Stück weit zurückgewinnen, denn gute und relevante Inhalte werden von Suchmaschinen besser gelistet und daher eher gefunden. Es gilt: unterhalten und informieren sowie begründen und beweisen, statt nur behaupten.
Sprachliche Merkmale und Tonalität von Formaten und Textsorten
Für Medienmitteilungen gelten ganz andere Regeln als für die übrige Unternehmenskommunikation, denn der Text wird so aufbereitet, dass er von den Redaktionen direkt übernommen und als eigener Beitrag publiziert werden kann. Bei einer Publikation profitiert das Unternehmen von einer hohen Glaubwürdigkeit, da die Inhalte als neutral und unbeeinflusst wahrgenommen werden. Die Medienmitteilung zählt zu den Earned Media.
Merkmale und Tonalität dieser Textsorte:
- hoher Informationsgehalt
- die Sprache folgt journalistischen Grundsätzen: Sie ist knapp, sachlich und nüchtern
- keine direkte Ansprache
- nur nachprüfbare Fakten und Tatsachen
- Wertungen, Argumente und Meinungen werden als Zitate oder durch indirekte Reden eingeflochten
- die 5 W-Fragen werden beantwortet: wer, wie, wann, was, wo
Die Publireportage (Print) oder das Native Ad (online) wird zwischen den redaktionellen Beiträgen einer Zeitung, Zeitschrift oder Online-Newsplattform platziert. Mit dem Look and Feel imitiert das Unternehmen einen redaktionellen Beitrag, obwohl der Inhalt kommerziell ist und zu den Paid Media zählt. Diese Textsorte kommt zum Einsatz, wenn ein Unternehmen ein starkes, meist produktbezogenes Informationsbedürfnis hat und die Zielgruppe durch ein Spezialinteresse bereit ist, eher grössere Mengen an Informationen zu verarbeiten. In Onlinemedien sind auch Listicles beliebt, also zum Beispiel «Die zehn lustigsten Style-Fails» eines Modeanbieters. Die Publireportage muss als solche oder als Native Ad oder Advertorial gekennzeichnet werden. In Printmedien sollte sie sich auch typografisch vom redaktionellen Teil unterscheiden.
Merkmale und Tonalität dieser Textsorte:
- hoher Informationsgehalt oder Unterhaltungswert
- aufgemacht und aufgebaut wie ein journalistischer Bericht, möglich sind auch Interviews, Portraits, Listicles oder fiktive Geschichten, welche die Anwendung respektive den Nutzen eines Produkts veranschaulichen
- Sachlich, nüchtern, beispielhaft oder anschaulich und unterhaltend
- eine direkte Ansprache ist möglich, aber nicht immer sinnvoll
- kleinere Textblöcke, vermehrt Boxen und Aufzählungen, um die Leselust zu fördern
Kundenpublikationen zählen zu den Owned Media. Sie richten sich konsequent an den Interessen und Bedürfnissen der Zielgruppe aus und schaffen mit authentischen und glaubwürdigen Informationen Vertrauen.
Merkmale und Tonalität dieser Textsorte:
- die Sprache ist nicht werberisch, sondern folgt journalistischen Grundsätzen und orientiert sich am Corporate Wording des Unternehmens – sie ist aber dennoch emotionaler als bei einer Pressemitteilung
- ideal für Storytelling
- die direkte Ansprache der Leserinnen und Leser ist vor allem zu Beginn eines Textes und am Schluss sinnvoll
- mit Handlungsaufforderungen und Mehrwert-Angeboten wird die Leserin, der Leser involviert
- das Anteasen eigener Angebote ist möglich und oft auch sinnvoll, doch sollte dies in grafisch abgegrenzten Kästen oder am Schluss eines Beitrags geschehen
- die Umsetzungen orientieren sich an den journalistischen Textsorten: Editorial, Nachricht, Bericht, Reportage, Interview, Portrait u.a.m.
Eine Social-Mediapräsenz oder ein Corporate Blog dient nicht dem Verkauf von Produkten, sondern hat zum Ziel, Vertrauen aufzubauen und Nähe zu schaffen. An die Stelle einer anonymen Organisation treten Persönlichkeiten, zu denen die Kunden eine direkte Beziehung aufbauen können. Marketing-Sprache hat folglich in sozialen Medien nichts zu suchen (Social Ads ausgenommen).
Merkmale und Tonalität dieser Textsorte:
- die Sprache ist nicht werberisch, sondern subjektiv und erzählerisch (Ich- oder Wir-Perspektive)
- direkte Ansprache, insbesondere zu Beginn und am Schluss der Beiträge
- die Meinung des Autors, der Autorin ist durchaus erwünscht, muss aber mit der Haltung des Unternehmens übereinstimmen
- der Einbezug der Leserinnen und Leser durch Fragen, Umfragen sowie die Aufforderung, Kommentare zu schreiben, erhöht das Involvement
- schnelle, sachliche, höfliche und respektvolle Beantwortung der Kommentare ist wichtig
Websites (Unternehmenswebsite, Kampagnen-Landingpages, Produkt- oder Serviceseiten) müssen den Ansprüchen der User entsprechen und suchmaschinenoptimiert sein, damit sie bei Eingabe eines passenden Suchbegriffs möglichst weit vorne erscheinen. Das Lesen im Internet ähnelt dem Lesen einer Tageszeitung, allerdings sind die Selektionsmechanismen extremer. Die Nutzerin überfliegt die Texte lediglich und pickt die für sie relevanten Informationen rosinenartig heraus.
Merkmale und Tonalität dieser Textsorte:
- die Sprache ist informativ und emotional, manchmal narrativ, aber wenig werberisch
- die Texte sind eher kurz, präzis und nutzenorientiert, dies gilt noch stärker für Mobile Sites
- die Texte sollen scanbar sein, damit die Nutzer sie querlesen können – also Titel, Zwischentitel, Aufzählungen und Hervorhebungen enthalten
- möglichst oft, am besten am Schluss jeder Seite, folgt eine Handlungsaufforderung mit dem Ziel, einen Dialog aufzubauen
- die Texte sollen suchmaschinenoptimiert sein, also Keywords enthalten, originär und relevant sein
Im Gegensatz zu journalistischen Texten in Content-Marketing-Formaten ist der Werbetext nicht wertfrei und objektiv, sondern verkäuferisch, suggestiv und subjektiv. Inserate und Plakate überraschen die Zielgruppe innert Sekundenschnelle. Social Ads zielen auf Impulse-Käufe ab, Postkarten werden oft für Verkaufsaktionen oder als Einladungsmedium eingesetzt und Mailings schaffen durch den Akt des Öffnens und die persönliche Ansprache ein hohes Involvement der Adressatinnen und Adressaten. Der Text für eine Firmenbroschüre ist ebenfalls werberisch, liefert aber auch Hintergrundinformationen über das Unternehmen, dessen Werte und Visionen.
Merkmale und Tonalität dieser Textsorte:
- die Sprache ist werberisch – trotzdem ist wichtig zu begründen und zu beweisen, statt nur zu behaupten
- die Sprache kann überraschend oder humorvoll sein
- eine direkte Ansprache ist wichtig, um die Zielperson persönlich anzusprechen und zu involvieren
- der Werbetext fordert zum Handeln auf und erklärt, was die Zielperson tun muss, um vom Angebot zu profitieren
Fazit: Zielgruppe, Corporate Wording und Textsorte – drei Elemente, die den Ton angeben
Sich über den Kontext – sprich die Kontaktsituation, die Möglichkeiten des Mediums oder Formats und die Ansprüche des Unternehmens – im Klaren zu sein, ist wichtig, damit die Botschaft ankommt und die Ziele der Marketing-Kommunikation erreicht werden. Ganz gleich, für welchen Kanal Sie schreiben, seien Sie sich bewusst: Jeder Text ist persönlich – immer steht auf der anderen Seite eine Person, deren Einstellung zum Unternehmen Sie beeinflussen.