Seniorenmarketing: Eine wertvolle Zielgruppe erreichen So funktioniert Werbung für Seniorinnen und Senioren
Seniorenmarketing – eine herausfordernde Disziplin. Schon nur, weil das fortgeschrittene Alter allein kein ausschlaggebendes Kriterium für ein zielgerichtetes Marketing ist. Seniorinnen und Senioren sind eine hoch heterogene Gruppe von Menschen. Was jedoch bei allen gut ankommt: Einfühlungsvermögen und Authentizität.
Die Älteren unter Ihnen erinnern sich vielleicht noch an die Golden Girls. Eine amerikanische Serie, in der Blanche, Rose, Dorothy und Sophia in einer Alters-WG lebten. Mit Witz und Zynismus sprachen die vier Frauen Tabuthemen wie Alzheimer, Homosexualität und Sterbehilfe an – was sicher Teil des Erfolgs war.
Der Name der Serie folgte dem verbreiteten Muster, dem Lebensabschnitt Alter einen positiv tönenden Namen zu geben. So verwenden Soziologie und Marktforschung für ältere Menschen Bezeichnungen wie Best Ager, Silver Ager, Third Ager, Mid-Ager, Harvest Ager, Generation Gold, Generation 50plus, Master Consumer oder Mature Consumer.
Welche Rolle spielen Seniorinnen und Senioren als Zielgruppe?
In der Schweiz hat sich mittlerweile die Bezeichnung «Seniorinnen und Senioren» eingebürgert. Damit allerdings hört die Gemeinsamkeit bereits auf. Sandra Kathriner, Leiterin Marketingservices bei Pro Senectute Schweiz, sagt: «Die Seniorinnen und Senioren sind eine hoch heterogene Gruppe mit äusserst vielfältigen Ansprüchen.»
So gibt es heute viele gesunde und agile Seniorinnen und Senioren, die täglich aktiv sind und sich geistig als sehr leistungsfähig beweisen. Sie arbeiten über das Pensionierungsalter hinaus, übernehmen oftmals eine ehrenamtliche Tätigkeit oder hüten ihre Grosskinder. «Wenn man aktiv bleibt, wird das Alter relativ», sagt Sandra Kathriner. Andere hingegen beginnen bereits mit fünfzig, ihre sozialen Kontakte zu reduzieren, und sind nicht mehr bereit, viel Neues zu lernen.
Die heterogene Struktur könnte ein Grund sein, dass Seniorinnen und Senioren als vernachlässigte Zielgruppe gelten. Dabei wären sie als Kundengruppe durchaus lukrativ – und Seniorenmarketing deshalb eine lohnende Investition. Fast drei Viertel der Seniorinnen und Senioren sind mit ihrer finanziellen Situation zufrieden. Ihr Geld geben sie für Gesundheit, Lieblingsbeschäftigungen sowie Bücher und Presseerzeugnisse aus. Diese Zielgruppe setzt auf Qualität, bekannte Marken und guten Service. Bereits heute umfasst sie 1,5 Millionen Menschen in der Schweiz. Im Jahr 2030 werden es mehr als 2 Millionen sein.
Seniorenmarketing erfordert Empathie
Allerdings gibt es eine marketingrelevante Gemeinsamkeit, welche die Seniorinnen und Senioren verbindet. Sie kaufen keine Produkte, die als «altersgerecht» angepriesen werden. Denn die meisten wollen nicht auf ihr Alter reduziert werden. Für Sandra Kathriner von Pro Senectute Schweiz muss das Seniorenmarketing deshalb «feinfühliger» und «empathischer» sein als für jüngere Zielgruppen.
Frank Nehlig, Leiter Kommunikation, Marketing & Public Affairs der Wohn- und Pflegeheimgruppe Tertianum spricht in diesem Zusammenhang von «authentischer Kommunikation». Deshalb lässt Tertianum im neuen Unternehmensfilm nur noch «echte Bewohnerinnen und Bewohner auftreten und mit ihrer ganz persönlichen Geschichte zu Wort kommen».
Auf ein 70-jähriges Model setzte die Lingerie-Marke Beldona für ihre Frühjahrs-/Sommerkampagne 2024. Die Pariserin Axelle plädiert im Beldona-Blog «für ein Leben in Fülle» und erinnert daran, «dass Schönheit kein Alter kennt und wir auf unseren Körper stolz sein können». Beldona hat für den Auftritt von Axelle «unglaublich viele Komplimente erhalten», sagt Isabelle Grunau, Head of Marketing und E-Commerce. Ziel des Traditionsunternehmens ist es, mit seiner Ansprache «das Selbstwertgefühl der Frauen zu unterstützen». Isabelle Grunau: «Wir berücksichtigen die alters- und situationsbedingten Bedürfnisse der Frauen. Dabei ist Authentizität entscheidend.»
Auf Bedürfnisse der Zielgruppe fokussieren
Explizit an Menschen über 50 richtete sich in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre der E-Bike-Pionier Flyer. Damals wurde der «klassische Flyer» zum Markenzeichen der Mobilität einer älteren Generation. «Mit dieser Ausrichtung hatten wir ein tolles Wachstum», sagt die Senior Communications und PR-Managerin Anja Knaus. Heute muss Flyer nicht nur alle Generationen ansprechen, sondern bei der Entwicklung von E-Bikes auch die individuellen Nutzungswünsche berücksichtigen, die sich in den Produktkategorien «Mountain», «Urban», «Tour» und «Crossover» äussern. Dabei signalisieren Produkteigenschaften wie ein tiefer Einstieg und eine aufrechte Haltung der älteren Zielgruppe Komfort und Sicherheit.
Benno Frick von der Agentur Frick & Partner hat sich mit seiner Plattform Boomgeneration bereits vor 15 Jahren auf die «Marketingzielgruppe reife Konsumenten» und ihre Bedürfnisse spezialisiert. Um Seniorinnen und Senioren anzusprechen, brauche es «weder spezielle Kanäle noch ein altes Gesicht». Frick sagt: «Wenn das Produkt oder die Dienstleistung stimmt, kann man die Zielgruppe wie – fast – jede andere behandeln.» Er erreiche die Generation der Babyboomer sowohl über reichweitenstarke Printtitel und mittels Direktwerbung, als auch über relevantes E-Mail-Marketing und auf Social Media.
Tatsächlich verfügen viele Seniorinnen und Senioren über gute digitale Kompetenzen und dies in zunehmendem Mass je gebildeter sie sind und je höher ihr Einkommen ist. So bedient Pro Senectute mittlerweile «alle Kanäle» und Tertianum setzt vermehrt auf einen Online-First-Ansatz.
Der indirekte Weg
Pro Senectute und Tertianum sprechen jedoch nicht nur ihre eigentliche Zielgruppe an. Beide Organisationen wenden sich auch an die Angehörigen der Seniorinnen und Senioren. Denn diese finden als wichtige Beeinflusser das Ohr ihrer Eltern oft am besten. Und werden irgendwann einmal selbst zur Seniorin oder zum Senior.