Agiles Marketing: Unerwartetes als Chance nutzen Wie Marketing-Teams mehr Wirkung erzielen
Die Marketing-Kommunikation durchläuft seit einigen Jahren einen Transformationsprozess: Statt in Kanälen denken die Marketing-Abteilungen heute vermehrt in Inhalten – immer aus Kundensicht. Das erlaubt, mit den Kunden in einen ständigen Dialog zu treten. Aber es erfordert auch effiziente Prozesse und schnelle Reaktion. Agiles Marketing heisst die Lösung.
Wie jeden Morgen trifft sich das Marketing-Team um 9 Uhr zur Tagesplanung. Stehend vor dem Whiteboard, wo die laufenden Projekte aufgelistet sind und Post-its den aktuellen Stand dokumentieren. Stehend, damit es nicht lange dauert. Jede Person schildert kurz, wobei sie am Vortag erfolgreich war, welche Ziele sie heute erreichen will und welche Hindernisse sich ihr in den Weg stellen. Im Rahmen der zentralen Fragen «Was interessiert die Zielgruppe?» und «Was nützt unserem Unternehmen?» werden neue Inputs aus dem Unternehmen, von Kunden und aus der Nachrichtenlage aufgenommen und festgelegt, welches Thema über welche Kanäle durch wen publiziert werden soll. Liegen keine übersteuernden News aus der Kommunikation oder dringliche User Stories vor, orientiert sich das Team an der Planung, die sich aus der Strategie ergibt. Der Teamleiter stellt sicher, dass die wichtigen Themen Priorität haben.
Etwa so spielt sich die Zusammenarbeit beim agilen Marketing ab. Die Teammitglieder bringen breit gefächerte Fähigkeiten mit, um alle wichtigen Kanäle professionell bespielen zu können. Meist kümmert sich eine Person um die Publikation eines Themas über mehrere Kanäle. Einen idealen Rahmen für agiles Content Marketing bildet der Corporate Newsroom. Diese Organisationsform hat sich sowohl in Redaktionen von Medienhäusern wie auch in grösseren Unternehmen bewährt, um News aufzunehmen, zu verarbeiten und über verschiedene Kanäle konvergent zu kommunizieren.
So funktioniert agiles Marketing
Das Prinzip des agilen Arbeitens stammt ursprünglich aus der Softwareentwicklung. Inzwischen werden agile Methoden wie Sprints, Scrum, Kanban, «Getting Things Done» oder «Work out loud» zunehmend auch im Marketing eingesetzt. Sie dienen der Organisation des Teams oder dem Projektmanagement. Dabei wird der gesamte Marketingprozess oder ein Projekt in einzelne Arbeitsschritte aufgeteilt. Zum Beispiel zerlegen agile Teams das Schreiben einer umfangreichen Story in Aufgaben: recherchieren, Plot und Storyboard erarbeiten, Protagonisten bestimmen, Geschichte schreiben, redigieren und überprüfen. Die kleinen Schritte und das Arbeiten in vernetzten Teams ermöglichen es, rasch auf interne oder externe Veränderungen zu reagieren, aktuelle Themen aufzunehmen und situativ über das weitere Vorgehen zu entscheiden.
Eine Herausforderung dabei: Agile Marketing-Teams müssen viele Kanäle und Projekte parallel betreuen und dennoch den Überblick behalten. Aus diesem Grund empfiehlt sich der Einsatz eines Kollaborationswerkzeugs für Planung, Zusammenarbeit und Zeitmanagement. Das Tool dient dazu, Dokumente zu teilen sowie den Arbeitsfortschritt eines Projekts von der Idee bis zur Veröffentlichung festzuhalten und allen zugänglich zu machen. Auch ein Product Information System (PIM), das sämtliche Informationen und Texte zu Produkten und Dienstleistungen zentralisiert, kann sinnvoll sein. Nicht zuletzt spielen Agenturen und Technologiepartner eine wichtige Rolle dabei, dass agiles Marketing gelingt. Sie müssen ebenfalls über ein gewisses Mass an Agilität verfügen. Denn bei Bedarf ist eine schnelle Reaktion gefragt.
Agiles Marketing hat viele Vorteile
Agilität im eigenen Unternehmen bietet gerade in Zeiten des digitalen Wandels viele Vorteile. Agiles Marketing erzielt eine höhere Wirkung, weil relevanter Content zum richtigen Zeitpunkt auf dem geeigneten Kanal publiziert wird. Die Mitglieder des agilen Teams sind innerhalb der definierten Leitplanken flexibel, was eine hohe Zufriedenheit, Motivation und Kreativität mit sich bringt. Dank agiler Methoden wie Kanban, Scrum etc. können sie schnell auf aktuelle Geschehnisse, Trends, verändertes Verhalten oder Feedback von Kunden reagieren: Unerwartetes lässt sich als Chance nutzen. Das fördert die Kundenzentrierung und eine Problemlöser-Mentalität im Unternehmen, was wiederum zu mehr positiven Kundenerlebnissen und einer hohen Servicequalität führt.
Die Kultur für agiles Marketing
Agiles Marketing und agiles Projektmanagement werden dem dynamischen Umfeld einer vernetzten Welt gerecht und unterstützen die digitale Transformation eines Unternehmens. Sie eignen sich, um die Organisation flexibel und Prozesse effizient zu gestalten, Themen zu setzen und für die Zielgruppe relevante Geschichten zu erzählen. Das bedingt jedoch ein Management und eine Unternehmenskultur, die Agilität unterstützen und agile Werte fördern. Agiles Arbeiten beruht auf dem Grundsatz «Trial and Error»: Scheitern ist ausdrücklich erlaubt.
Gefragt ist | Statt |
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Denken in Inhalten |
Denken in Kanälen |
Kundenzentrierte Zusammenarbeit |
Silodenken und Hierarchien |
Adaptive Kampagnen |
Big-Bang-Kampagnen |
Viele kleine Experimente |
Viele grosse Projekte |
Flexible Planung |
Starre Planung |
Reaktion auf Veränderungen |
Striktes Verfolgen des Plans |
Teamerfolg |
Einzelleistungen |
Eigenverantwortung |
Strikte Anweisungen |
Appenzeller Käse setzt für digitales Marketing auf kurze Entscheidungswege und hohe Eigenverantwortung. Dadurch kann das Team spontan auf aktuelle Ereignisse reagieren. Ein Beispiel: Bei der Oscar-Verleihung 2017 wurde «La La Land» irrtümlicherweise als bester Film ausgerufen, obwohl der Titel eigentlich an «Moonlight» ging. Appenzeller Käse reagierte sofort auf diesen Fauxpas und bezeichnete auf ihren Social-Media-Kanälen Mozzarella als den würzigsten Käse der Schweiz. So geht agiles Marketing mit Augenzwinkern.
Seit 2018 gehören für die Marketing- und Kommunikationsabteilung der Swisscom agile Arbeitsmethoden zum Alltag: Die Mitglieder interdisziplinärer Teams teilen sich die Aufgaben und Arbeitspakete nach dem Pull-Prinzip selbst zu. Dazu werden die To-dos visualisiert. Dank eines zentralen Systems ist für alle im Team ersichtlich, wer woran arbeitet. In regelmässigen Kurzmeetings wird der Stand der Dinge besprochen. Stehen zu viele Aufgaben an, werden sie zeitlich priorisiert. Für das Projektmanagement gehören agile Methoden wie Scrum zum Standard.