Simplicity: Mit Einfachheit zum Erfolg Warum im Marketing weniger oft mehr ist
Neue Technologien vereinfachen vieles. Und doch scheint das Leben komplexer zu sein als früher. Denn die Konsumentinnen und Konsumenten müssen ständig Informationen filtern. Bei Kaufentscheidungen plagt sie oft die Qual der Wahl. Deshalb erhält Einfachheit eine neue Bedeutung und wird für Unternehmen ein Schlüssel zum Erfolg. Das gilt auch fürs Marketing.
Die Digitalisierung beschleunigt das Leben und hat eine Flut an Informationen zur Folge. Ständig gibt es neue, noch bessere Produkte. Dank smarter Geräte lässt sich jede Minute produktiv nutzen, um Dinge zu erledigen. Was auf den ersten Blick positiv erscheint, bringt automatisch auch Nachteile mit sich. Das Übermass an Möglichkeiten und Wahlfreiheit überfordert viele Konsumenten. Die Folge: Die Kunden von heute sehnen sich nach Einfachheit.
Mit Einfachheit das Leben erleichtern
Der Wunsch nach mehr Einfachheit findet sich im «Global Simplicity Index 2018/2019» von Siegel+Gale wieder, einem Beratungsunternehmen für Markenstrategien. Der Index geht der Frage nach, wie Konsumentinnen und Konsumenten Marken bezüglich ihrer Einfachheit beurteilen. Dazu wurden 15'000 Menschen weltweit befragt – mit folgendem Ergebnis:
- 55% der Befragten sind bereit, für eine einfachere User Experience mehr zu bezahlen
- 64% empfehlen eine Marke eher, wenn sie eine einfache User Experience ermöglicht
Unternehmen, die den Wunsch nach Schlichtheit und Einfachheit erkannt haben, haben gute Erfolgsaussichten. Beim Wort «Simplicity» geht es darum, den Kunden mit einem überschaubaren Sortiment sowie verständlichen Produkten und Services das Leben zu erleichtern. Das Ranking des «Global Simplicity Index 2018/2019» führt Netflix an, gefolgt von ALDI und Google. Alle drei Unternehmen halten ihr Markenversprechen gemäss Siegel+Gale mit einfachen, klaren, intuitiven Erlebnissen konsequent ein und schaffen damit Vertrauen.
Halbes Sortiment, doppelter Erfolg
«Simplicity Marketing» heisst denn auch ein Konzept, nach dem es wünschenswert ist, die Anzahl an Produkten und Marken, die das Sortiment ausmachen, zu reduzieren und die Kundenentscheidungen zu vereinfachen. Kurz gesagt: Weniger ist oft mehr. Für mehr Einfachheit sollten sich CMOs auf die wesentlichen Fragen konzentrieren:
- Was sind die Kernkompetenzen des Unternehmens?
- Was wollen unsere Kunden heute und in Zukunft?
- Inwieweit treffen unsere Angebote diese Bedürfnisse? Machen sie noch Sinn?
- Welche Wünsche könnten wir durch Innovation zusätzlich befriedigen?
- Stehen diese Wünsche im Einklang mit unserer Markenidentität?
«Simplicity» als Marketinginstrument
Im Buch «Simplicity Marketing» stellen die Autoren Steven M. Cristol und Peter Sealey den Lösungsansatz der vier R zur Reduktion vor:
- Replace: Ein neues, einfaches Produkt ersetzt mehrere oder komplexe Produkte. Beispiel: Shampoo und Conditioner werden als Zwei-in-einem-Produkt angeboten.
- Repackage: Produkte oder Dienstleistungen, die vormals an getrennten Orten erhältlich waren, werden gebündelt – für mehr Einfachheit beim Einkauf. Beispiel: Ricardo.ch bietet auf der Website ausgewählte Services der Post für den Versand von Paketen an.
- Reposition: Ein Produkt oder eine Marke wird mit Werten wie Einfachheit oder Schlichtheit beworben. Beispiel: Philips verwendet in der Werbung den Claim «Sense and Simplicity».
- Replenish: Bestehende Kunden können sich auf ein leicht verfügbares, kontinuierliches Angebot in gleichbleibender Qualität verlassen. Damit müssen sie sich gewissermassen nur einmal für ein Produkt entscheiden. Beispiel: Der Big Mac von McDonald’s schmeckt überall gleich.
Einfachheit in der Produktgestaltung
Nicht zuletzt gibt es verschiedene Ansätze, die für mehr Einfachheit beim Produkt selbst oder bei Prozessen sorgen. Die Bücher «Simplicity. Prinzipien der Einfachheit» von Chris Brügger, Michael Hartschen und Jiri Scherer sowie «Simplicity» von Edward De Bono nennen etwa die folgenden Strategien:
- Mehrzahl der Fälle und Ausnahmen trennen: Produkte und Systeme, die alle Eventualitäten abdecken, sind meist überaus komplex. Zu Gunsten der Einfachheit wird bei dieser Strategie ein Prozess für die Mehrzahl der Fälle gestaltet. Die Ausnahmen werden separat behandelt. Beispiel: Beim SBB-Ticketautomaten gibt es für die beliebtesten Zielorte Schnellwahlbuttons wie «Zürich HB», «Luzern» etc. Die Taste «Weitere Billette» fasst die Ausnahmen zusammen.
- Vergangenheit hinterfragen: Viele Schritte und Funktionen in einem Prozess haben einzig der Vergangenheit wegen noch Bestand, obwohl der Grund dafür längst verschwunden ist. Daher lohnt es sich, die einzelnen Elemente von Prozessen in einem «Historical Review» zu hinterfragen: Ist das noch notwendig? Was könnte man weglassen oder ändern, um für mehr Einfachheit im Ablauf zu sorgen?
- Neue Ordnung schaffen: Bei dieser Strategie werden Produkte und ihre Eigenschaften bedürfnisorientierter geordnet und präsentiert – etwa am PoS oder in der Kommunikation. Beispiel: Der Amsterdamer Weinhändler Grapedistrict erleichtert Kunden mit beschränktem önologischem Fachwissen die Auswahl. Die Weine sind hier nicht nach Regionen sortiert, sondern mit Farben nach Geschmacksrichtung codiert. Die Kategorien reichen vom hellgelb gekennzeichneten «Easy» für leichte, weisse Weine bis zum purpurfarbenen «Deep» als Definition für volle Rotweine.
Einfachheit und gute Gefühle verbinden
Was für Sortiment, Produkt und Prozess gilt, stimmt auch für die Marketingkommunikation: Einfachheit punktet bei den Konsumenten. Erfolgreich sind Botschaften, die sich auf einzelne Kernaussagen beschränken und die Kunden nicht mit unnötigen Details verwirren. Dadurch lässt sich Einfachheit mit guten Gefühlen und positiven Eigenschaften wie Leichtigkeit, Schlichtheit und Natürlichkeit kombinieren. Gute Gefühle entstehen zum Beispiel, wenn der Nutzer ein Produkt intuitiv versteht – sich also dank der Einfachheit von Produkt, Design und Kommunikation kompetent fühlt.