Kunden zurückgewinnen – so gelingt die Umsetzung 5 Schlüsselfaktoren für die Kundenrückgewinnung
Das Umsatzpotenzial, das in inaktiven oder verlorenen Kundinnen und Kunden schlummert, ist enorm. Um dieses zu reanimieren und auf Eis gelegte Kundenbeziehungen aus dem Dornröschenschlaf zu wecken, braucht es einen ins Gesamtmarketing eingebetteten, strukturierten Rückgewinnungsprozess. 5 Schlüsselfaktoren bilden die Leitplanken für die Umsetzung der Reaktivierungsmassnahmen.
1. Planung: Institutionalisiertes Prozessmanagement als Basis für die Umsetzung.
Kein Unternehmen ist vor Kundenverlusten gefeit. Aber jedes Unternehmen hat die Möglichkeit, drohende Abgänge oder abgewanderte Kunden zu identifizieren und Massnahmen für die Rückgewinnung in die Wege zu leiten. Möglich wird dies durch regelmässige Überprüfung der Kundenhistorien, die den Takt für die Umsetzung der Rückgewinnungsaktivitäten vorgibt.
Eine klare Regelung der Zuständigkeiten bietet Gewähr für die kunden- und zeitgerechte Einleitung des Rückgewinnungsprozesses. Je nach Organisation liegt die Verantwortung für die Erkennung von Abwanderungstendenzen und nicht aktiven Kunden beim Verkauf Aussendienst, beim Verkauf Innendienst oder beim Kundendienst. Bei Abgängen von hochrentablen Kunden, respektive Key Accounts ist die Intervention möglicherweise Chefsache.
Die Hauptrolle im Prozessmanagement spielt das Marketing, das via CRM-System das Verhalten und die Kaufgewohnheiten der Kundinnen und Kunden auf dem Radar hat. Seine Aufgabe ist es, die Rückgewinnungsaktivitäten in Absprache mit den anderen Stellen im Unternehmen mit Kundenkontakt zu planen und umzusetzen. Idealerweise sind die Massnahmen je Kundenkategorie konzeptionell vordefiniert und können situativ adaptiert und ausgelöst werden. Erfolgsrelevant ist, dass zwischen dem letzten Kontakt oder Kauf nicht zu viel Zeit verstreicht. Je länger die Intervention ausbleibt, desto weiter entfernt sich die Kundin oder der Kunde mental vom Unternehmen. Eine weitgehende Automatisierung des Rückgewinnungsprozesses bietet Gewähr für die rechtzeitige Identifikation abwanderungsverdächtiger und verlorenen Kunden und für eine effiziente Abwicklung des Rückgewinnungsprozesses.
Für eine wirkungsvolle Umsetzung von Massnahmen zur Kundenaktivierung, Kundenrückgewinnung und Churn-Management entwickelt das Dialogmarketing der Schweizerischen Post für Geschäftskunden massgeschneiderte, auf die Branche abgestimmte Lösungen. Dies unter Einbezug digitaler und physischer Kanäle sowie kanalübergreifende Ansätze. Dabei können je nach Zielsetzungen Cross-Channel-Marketing-Tools wie «optilyz» zum Einsatz kommen, die eine direkte und voll automatisierte Verknüpfung digitaler Touchpoints mit physischen Mailings ermöglichen.
2. Botschaft: Wertschätzung als Essenz der Kommunikation.
Bei einer Vielzahl verlorener oder inaktiver Kundinnen und Kunden ist es nur schwer oder gar nicht eruierbar, weshalb sie dem Unternehmen den Rücken gekehrt haben. Oft steckt keine bewusste Entscheidung dahinter. Möglicherweise waren sie mit den Produkten oder dem Service nicht mehr ganz zufrieden, ohne ihre Unzufriedenheit zu äussern. Vielleicht hat das Unternehmen die Kundenbindung vernachlässigt. Oder ein Konkurrent hat ein besseres Angebot gemacht. Sicher spielen zunehmend Bewertungsportale eine Rolle, die den Wechsel von einem zum anderen Anbieter begünstigen.
Um die stillschweigenden Abgängerinnen und Abgänger zurückzugewinnen, muss das Unternehmen ein klares Zeichen der Wertschätzung setzen. Es geht darum, den roten Teppich auszurollen und auf glaubwürdige Art und Weise zu kommunizieren, dass die Kundin oder der Kunde für das Unternehmen wichtig ist. «Sie fehlen uns!», lautet der Grundtenor im Rückgewinnungsmarketing, das auch Gelegenheit bietet, die Zufriedenheit zu erfragen oder den Kunden aufzufordern, Kritik zu üben.
Bei Kundinnen und Kunden, die mit einer Beschwerde oder Reklamation ihrem Unmut Luft gemacht haben, ist eine Entschuldigung am Platz. Ist durch eine Fehlleistung des Unternehmens ein Schaden entstanden, muss es Hand für eine Wiedergutmachung bieten. Eine unbürokratische Bereinigung hinterlässt bei der Kundin oder dem Kunden einen positiven Eindruck.
Ein nahezu in jedem Fall unverzichtbarer Bestandteil von Rückgewinnungsmassnahmen ist ein attraktives Angebot mit Exklusivcharakter. Im Idealfall ist dieses auf die Präferenzen und Kaufgewohnheiten der Kunden oder Kundengruppen abgestimmt und nimmt gegebenenfalls Bezug auf zuletzt getätigte Käufe. Wirkungsvolle Anreize sind Rabattgutscheine oder Sonderkonditionen für zukünftige Käufe. Auch Spezialangebote und kleine Geschenke eignen sich, um auf Eis gelegte Kundenbeziehungen wieder aufzuwärmen.
3. Kommunikationskonzept: Der Dialog als Schlüsselfaktor für gelungene Rückgewinnung
Da es bei Kundenabgängen um den Bruch in einer persönlichen Beziehung zwischen Kunde und Unternehmen geht, kann die Rückgewinnung nur durch einen persönlichen, respektive personalisierten und individualisierten Dialog erfolgen. Eine emotionale Ansprache zeugt vom Einfühlungsvermögen und unterstreicht das Interesse des Unternehmens am Erhalt der Kundenbeziehung.
Bei wichtigen und hoch rentablen ehemaligen Kunden kommt nur das persönliche Gespräch in Frage, um sie zurückzugewinnen. Bei grösseren Kundenbeständen mit höherer Abwanderungsquote führt der Weg über Dialogmedien wie personalisierte und individualisierte Mailings oder E-Mails, wobei das emotional ansprechende physische Mailing in diesem Fall klar zu bevorzugen ist: Es vermittelt Wertschätzung und Empathie und signalisiert ehrliches Interesse an der Wiederherstellung der Beziehung. Als «Billet-doux» des Rückgewinnungsmarketings bietet es beste Voraussetzungen, um das Herz verlorener Kunden ein zweites Mal zu erobern.
4. Erfolgskontrolle: Kennzahlen als Kompass für die Prozessführung
Um die Wirkung von Massnahmen zur Kundenrückgewinnung zu beurteilen, müssen sie messbar sein. Zu den wichtigen Messgrössen zählen beispielsweise die Erfolgsquote des Rückgewinnungsprogramms, die Veränderung der Fluktuationsrate oder der Return on Investment. Marketingaktionen für die Rückgewinnung von Kunden müssen sich rechnen und einen Beitrag zur Wertschöpfung leisten. Zu berücksichtigen sind allerdings auch qualitative Aspekte wie der Reputationsgewinn, der in positiven Bewertungen des Unternehmens zum Ausdruck kommt.
Die Expertin für Touchpoint Management Anne M. Schüller hat eine Reihe von Kennzahlen definiert. Diese erlauben es, Veränderungen in der Kundenbeziehung und den Erfolg der Rückgewinnung quantitativ zu erfassen und zu messen.
Kundenabwanderung
Mengenmässige Erfassung und optische Aufbereitung der Gründe für Abwanderungen beziehungsweise Kündigungen sowie Erfassung der Kosten für die Rückgewinnung.
Rückgewinnungsrate
Anzahl der wiedergewonnenen Kunden dividiert durch die Anzahl der kontaktierten Kunden.
Veränderung der Dauer der Kundenbeziehung
Veränderungen in der durchschnittlichen Kundenbeziehung. Spezifizierung nach Branche, Alter, Geschlecht, Berufsgruppe usw.
Veränderung der Kundenfluktuation
Vergleich der Fluktuationsrate vor Beginn der Rückgewinnungsaktivitäten mit der Fluktuationsrate zu einem festgelegten Zeitpunkt nach deren Abschluss.
Veränderung des Kundenwerts
Vergleich des früheren Kundenwerts im Vergleich zum zukünftigen Kundenwert nach den Kriterien «Lifetime Value» und dem «Recommendation Value».
- «Lifetime Value» = kumulierter zukünftiger Ertrag (abgezinst) plus Kosteneinsparungen
- «Recommendation Value» = Einschätzung der Bereitschaft des Kunden, das Unternehmen potenziellen Neukunden weiterzuempfehlen.
Rückgewinnungsgewinn
Rückgewinnungskosten im Verhältnis zum Rückgewinnungsertrag unter Berücksichtigung des zurückgewonnenen Umsatzes wie auch ideeller Werte wie Imagezugewinn, positiver Mundpropaganda, Lerngewinnen usw.
Nachkalkulation der Rückgewinnungskosten
Für die Kundenrückgewinnung budgetierte Kosten im Verhältnis zu den effektiven Kosten.
Abwanderungsbewegungen
Erfassung der Wettbewerber, zu denen die verlorenen Kunden gewechselt haben, sowie Erfassung der Gründe für den Wechsel.
Management des Rückgewinnungswissens
Vergleich verschiedener Rückgewinnungsaktivitäten und deren Wirksamkeit als Basis für die Umsetzung zukünftiger Massnahmen.
Quelle: «Kundenrückgewinnung in fünf Schritten» von Anne M. Schüller, Expertin für Touchpoint Management
5. Prävention: Service-Exzellenz als Voraussetzung für die Wiederherstellung von Vertrauen
Die erfolgreiche Rückgewinnung einer Kundin oder eines Kunden ist zwar erfreulich, aber die gerettete Kundenbeziehung ist noch fragil. Das Unternehmen muss nun wie bei Neukunden beweisen, dass das Versprechen von Wertschätzung und Kundennähe ernst gemeint ist. Anne M. Schüller nennt es «Aufbau einer zweiten Loyalität».
Eine entscheidende Rolle für die Festigung der Kundenbeziehung spielt die Servicequalität. Zwar ist der Preis ein kritischer Faktor, aber es gibt keinen anderen Aspekt, der von Kundinnen und Kunden höher gewichtet wird als der Service. Da heute viele Produkte und Dienstleistungen austauschbar sind, ist der Service für die meisten Unternehmen der einzige Faktor, um sich klar zu positionieren und von der Konkurrenz abzugrenzen.
Zurückgewonnene Kundinnen und Kunden verdienen besondere Aufmerksamkeit. Eine CRM-gestützte Führung der Kundenbeziehung ermöglicht es, ihre Bedürfnisse und Wünsche zu erkennen und diese mit einer tadellosen Betreuung und massgeschneiderten Angeboten zu beantworten. Wer die Zuneigung der Kundinnen und Kunden erhalten will, muss sie bei Laune halten. Loyalität gilt es immer wieder neu zu gewinnen.
- Geben Sie dem zurückgewonnenen Kunden das Gefühl, jemand Besonderes zu sein. Teilen Sie ihm mit, wie wichtig Ihrem Unternehmen die weitere Zusammenarbeit ist, und unterstreichen Sie diese Zusicherung mit exklusiven Angeboten, Treueprämien und weiteren Privilegien.
- Sprechen Sie insbesondere zurückgewonnene Kundinnen und Kunden immer persönlich an und gehen Sie auf deren individuelle Bedürfnisse ein. Datenbasierte Kommunikation unter Einbezug von Machine Learning und Algorithmen ermöglichen dies auch bei umfangreichen Kundenbeständen.
- Fordern Sie die Kundinnen und Kunden dazu auf, Ihrem Unternehmen Feedback zu geben und Sie auf Verbesserungsmöglichkeiten aufmerksam zu machen. Halten Sie jedoch Mass mit Rückfragen zur Kundenzufriedenheit. Nach jedem Kauf um eine Bewertung zu bitten, kann vom Kunden als Belästigung empfunden werden.
- Antizipieren Sie genau wie bei neuen Kunden die Bedürfnisse im Zusammenhang mit Ihrem Angebot. Machen Sie die Ziele Ihrer Kundinnen und Kunden zu Ihren eigenen. Gehen Sie proaktiv auf mögliche Bedenken ein und räumen Sie diese aus.
- Praktizieren Sie Service-Exzellenz. Machen Sie Ihren Kundinnen und Kunden auf glaubwürdige Art deutlich, dass Sie ihnen das Leben leichter machen wollen. Jede Service-Interaktion soll dem Kunden bestätigen, dass er gut daran getan hat, zu Ihnen zurückzukehren.
- Überraschen Sie Ihre Kundinnen und Kunden mit unerwarteten Extras wie einem zu Ihrem Angebot passenden Give-away, einem Gutschein, einer Glückwunschkarte zum Geburtstag oder einer kostenlosen Zusatzleistung, die ihnen einen Mehrwert oder Nutzen bringt.
- Reagieren Sie sofort auf Reklamationen und Beschwerden und bieten Sie eine Lösung an. Bei der Rückgewinnung ehemaliger Kunden gibt es in der Regel keine dritte Chance.
- Sagen Sie danke. Ein Dankeschön für eine Bestellung oder einen Kauf kommt immer gut an und stärkt die Kundenbindung.
Um Kundinnen und Kunden zurückzugewinnen, muss das Unternehmen überzeugende Argumente liefern. Customer Intelligence ermöglicht es, individuelle, spezifische und nutzenstiftende Angebot zu machen. Eine ideenlose Bombardierung mit Rückgewinnungsaktivitäten wird nicht zum Ziel führen.
Prof. Dr. Michael A. Grund
Leiter Departement Marketing & Business Communications HWZ, Mitglied der Schulleitung