Marketing in Krisenzeiten

Marketing in Krisenzeiten Unternehmen zwischen langfristiger Planung und Flexibilität

Zuerst Corona, dann Ukrainekrieg und Inflation, jetzt geopolitische Verwerfungen: Angesichts der unsicheren Zeiten trüben sich die Aussichten für die Schweizer Wirtschaft ein. Das fordert auch die Unternehmen und ihre Marketingteams. Mehr denn je müssen sie sich genau überlegen, wofür sie ihr Werbebudget einsetzen. Und sie sollten prüfen, ob Botschaften und Tonalität ihrer Werbung noch passen.

Becherturm mit fehlendem Becher unten rechts
In der Krise zeigt sich, wie nachhaltig die Marketingstrategie eines Unternehmens ist. Wer den richtigen Mediamix wählt und die Mittel effizient einsetzt, kann auch mit kleinerem Budget erfolgreiches Marketing betreiben.

Ende 2022 erreichte sie einen Tiefpunkt: die Konsumentenstimmung in der Schweiz. Gemäss den Zahlen des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO war sie noch nie in den letzten zehn Jahren so schlecht – nicht einmal während Corona. Vor allem die Inflation verunsicherte die Konsumierenden, obwohl sie im Vergleich mit den Nachbarländern deutlich tiefer lag. Inzwischen scheint die Schweizer Bevölkerung laut den Zahlen des SECO zwar wieder etwas optimistischer zu sein. Besonders bei grossen Anschaffungen bleibt sie aber zurückhaltend. Und auch der vom SECO ermittelte Wert für die erwartete finanzielle Lage verharrt im negativen Bereich.

Für die Unternehmen verschiedener Branchen verheisst das nichts Gutes. Ihnen drohen Umsatzeinbussen, weil viele Kundinnen und Kunden in Krisenzeiten den Gürtel enger schnallen müssen. Hinzu kommt: Auch die Kostenseite sieht unerfreulich aus. Denn die Firmen sind ebenfalls von der Inflation betroffen.

In der Krise nicht beim Marketing sparen

Wie also reagieren? Ein häufiger Reflex in Krisen sind proaktive Sparrunden. Besonders oft treffen sie das Budget für Marketing und Kommunikation. Denn hier hat ein Kostenschnitt auf den ersten Blick oft keine unmittelbaren Folgen – eine Fehlüberlegung, wie Walter Stulzer, Executive Director von Futureworks und Vorstandsmitglied von Leading Swiss Agencies, sagt: «Die Marketingkommunikation wird dabei nur als Kostenfaktor betrachtet. Sie ist aber eine Investition und ein Treiber des Unternehmenswerts.»

Längerfristig gesehen rächt es sich daher, den Werbedruck zu reduzieren: Marken, die weniger präsent sind als die Konkurrenz, werden für die Konsumierenden auch weniger relevant. Die Folge ist ein Verlust beim Marktanteil, der sich später nur mit hohen Investitionen wettmachen lässt. Das zeigt eine Studie des Marktforschungsunternehmen Kantar (damals: Millward Brown). Es untersuchte nach der Finanzkrise von 2008 die Werbestrategien von mehr als 350 Marken und kam zum Schluss: Wenn Unternehmen ihre Werbebudgets in Krisen kürzen und ihr Share of Voice dadurch längere Zeit geringer ist als ihr Marktanteil, besteht ein hohes Risiko für Marktanteilsverluste.

Antizyklisches Marketing als Chance

Auch die Kommunikationsagentur Serviceplan und das Marktforschungsinstitut GfK analysierten die Strategien von Werbetreibenden während der Finanzkrise und die Auswirkungen. Demnach erhöhten Unternehmen, die ihre Werbeausgaben nicht reduzierten, ihren Marktanteil um durchschnittlich 18,5 Prozent. Wer sich in Krisenzeiten beim Marketing antizyklisch verhält und so den Share of Voice steigert, erzielt mit gleich hohen Investitionen mehr Wirkung – und noch einen weiteren Effekt: Im anschliessenden wirtschaftlichen Aufschwung profitieren diese Marken von einem höheren Bekanntheitsgrad und gewinnen leichter neue Kundinnen und Kunden.

Es gibt also starke Argumente dafür, in unsicheren Zeiten an der langfristigen Marketingstrategie festzuhalten. Dieser Meinung ist auch Tanja Herrmann, Studiengangsleiterin Marketing Strategy & Business Creation an der HWZ und Inhaberin der Beratungsagentur WebStages: «Wenn sich Unternehmen klar positionieren, ihre Ziele und den langfristigen Weg dorthin genau kennen, brauchen sie sich von kurzfristigen Unsicherheiten nicht beeinflussen zu lassen. Sie verfolgen einfach ihre Strategie weiter.»

Um Einsparungen beim Werbebudget zu verhindern, empfiehlt Dejan Popovic, Experte für Markenführung und Geschäftsführer von Brand Culture, den Marketingteams, mit dem Controlling ein Ziel für den Return on Marketing Investment zu definieren: «Dadurch erhalten die Marketers ein klares Argumentarium: Wenn das Marketingbudget gekürzt wird, sinkt der Ertrag.»

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Auf Budgeteffizienz kommt es an

Was aber, wenn die wirtschaftliche Situation des Unternehmens Einsparungen unumgänglich macht? Laut Tanja Herrmann bedeutet das nicht zwingend weniger Werbewirkung. Die Aufgabe besteht darin, das verbleibende Budget besser zu nutzen: «Oft sind die Mittel fürs Marketing auf zu viele Teams verteilt und werden ineffizient eingesetzt. Sparrunden sind eine Gelegenheit, die Silos abzubrechen: Nehmen alle Beteiligten eine Gesamtsicht ein, reicht meist auch weniger Geld, um die gemeinsamen Ziele zu erreichen.»

Dazu braucht es erstens eine Übersicht über die gesamten Kosten aller bisherigen Massnahmen, um einen aussagekräftigen Kostenvergleich anstellen zu können. Zweitens muss die Wirkung der Massnahmen auf Basis verlässlicher Messwerte ausgewertet werden. Und drittens sollten die bisher bespielten Touchpoints bezüglich ihrer Relevanz hinterfragt werden. Möglicherweise verändert sich in der Krise das Medienverhalten der Zielgruppe, sodass andere Kanäle auf einmal relevanter sind. Am Ende dieser Analyse steht ein optimierter Mediamix mit tieferen Kosten. Einen Teil der reduzierten Media Spendings können laut Dejan Popovic zudem die Mitarbeitenden kompensieren: «Indem sie den Content des Unternehmens in ihren sozialen Netzwerken aufgreifen oder kuratieren, werden sie zu Botschaftern und Influencern.»

Tanja Herrmann nennt noch eine weitere Option, um die Werbekosten ohne negative Folgen zu senken: «Indem strategisch starke Personen in den Marketingteams sitzen, müssen die strategischen Markenführungsaufgaben nicht komplett an Agenturen ausgelagert und teuer bezahlt werden. Punktuelle strategische Unterstützung statt einer kompletten Auslagerung macht das interne Jobprofil spannender und spart langfristig viel Geld. Dieses Geld lässt sich dann in die Umsetzung mit hoch spezialisierten Agenturen investieren.»

Mediamix anpassen

Bei einer schwächelnden Konjunktur den Mediamix zu überprüfen und zu optimieren, ist vor allem im Retail wichtig. Denn hier führt die Unsicherheit der Konsumierenden über die eigene finanzielle Zukunft besonders rasch zu einem veränderten Kauf- und Kommunikationsverhalten. Mit steigenden Preisen werden für die Konsumierenden vor allem jene klassischen Kommunikationskanäle wichtiger, die seit jeher Aktionen und Sonderangebote bewerben.

Das zeigt der Anfang 2023 veröffentlichte erste Teil der Studienreihe «UPLIFT – Consumer Insights zur 360°-Angebotskommunikation» von IFH Media Analytics und Media Central. Grosser Gewinner ist dabei der gedruckte Prospekt: 22 Prozent der mehr als 1000 Befragten geben in der Studie an, nun häufiger Prospekte zu nutzen. Dahinter folgen Anzeigenblätter/Tageszeitungen und Angebots-/Prospekte-Apps mit einer um je 14 Prozent höheren Nutzung. Retailer treffen also gerade in Krisen eine gute Wahl, wenn sie für ihre Kommunikation gedruckte Prospekte mit Prospekte-Apps wie Profital kombinieren.

Die hohe Bedeutung physischer Werbung für den Handel bestätigt auch die CMC Print-Mailing-Studie 2023. Sie kommt zum Schluss: Werbebriefe an Bestandskundinnen und -kunden erweisen sich in diesen wirtschaftlich herausfordernden Zeiten als zuverlässiger Marketingkanal. Im Rahmen der Studie verschickten 45 Onlinehändler insgesamt mehr als 1,4 Millionen Mailings an ihre Bestandskundschaft. Jede fünfte angeschriebene Person besuchte daraufhin den im Mailing beworbenen Onlineshop. Trotz gestiegener Papierkosten stimmte auch der Return on Advertising Spend (RoAS): Jeder eingesetzte Euro generierte mehr als neun Euro Umsatz.

Auch ins Branding investieren

So wichtig Abverkauf und unmittelbarer Response in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sind: Unternehmen sollten weiterhin auch genügend Mittel ins Branding und somit in langfristige Marketingziele investieren. Dazu sagt Walter Stulzer von Futureworks: «Dank Branding lassen sich mit Marken verbundene Emotionen schnell wieder abrufen und nutzen. So werden Überzeugungs- und Verkaufsprozesse abgekürzt – gerade in wirtschaftlich schwierigen Phasen ein grosser Vorteil für starke Marken.»

Laut Dejan Popovic von Brand Culture entscheidet der Reifegrad der Marke darüber, wie stark auch in wirtschaftlich schlechten Zeiten ins Branding investiert werden muss: «Ist der Markenaufbau weit fortgeschritten, kann sich ein Unternehmen eher mal vorübergehend auf ein Grundrauschen beschränken, das die taktischen Werbemassnahmen auslösen. Der Fokus liegt dann auf Response und Kundenbindung.»

Tanja Herrmann empfiehlt auch beim Branding, schrumpfende Budgets als Gelegenheit für einen Wirkungscheck zu nutzen: «Was ist nice to have und bei welchen Massnahmen hat es verheerende Folgen, sie zu streichen? Engagiert sich zum Beispiel ein Unternehmen nur als Sponsor eines Musikfestivals, weil die Geschäftsleitung das Festival cool findet? Oder gehört es zu den wichtigsten Touchpoints der Zielgruppe? Bei solchen Fragen zum Branding ist schonungslose Ehrlichkeit gefragt.»

Hinhören und Botschaften überprüfen

Krisenzeiten erfordern möglicherweise nicht nur andere Werbemassnahmen, sondern auch andere Botschaften. «Unternehmen sollten jetzt noch genauer hinhören», rät Tanja Herrmann. «Was beschäftigt die Kundinnen und Kunden? Welche Emotionen empfinden sie in dieser Zeit? Wenn Werbetreibende die passenden Botschaften dafür finden, kommunizieren sie auf Augenhöhe und gewinnen Sympathie.»

Dazu gehören einerseits Statements, wie das Unternehmen die Krise abzufedern hilft und als verlässlicher Partner zur Seite zu steht. Andererseits gilt es, Opportunitäten zu nutzen. So lassen sich manche Produkte als Problemlöser in der Krise inszenieren. Beides zahlt auf das Bedürfnis nach Sicherheit ein. Walter Stulzer gibt jedoch zu bedenken: «Für ein solches Leistungsversprechen muss auch wirklich ein Kundenbedürfnis bestehen. Und wenn die Werbung mehr verspricht, als das Kundenerlebnis dann erfüllt, ist das sogar schädlich.»

Dejan Popovic rät ebenfalls zu Zurückhaltung beim Anpassen von Botschaften: «Wenn Unternehmen nun plötzlich die Inflation und ihren eigenen Kampf für günstige Preise zum Thema machen, nehmen ihnen das die Konsumierenden oft nicht ab, weil es zu wenig ehrlich wirkt. Hier verhält es sich gleich wie bei Inklusion oder Diversität: Eine authentische Kommunikation dazu erfordert konsequentes Handeln. Sonst fehlt die Glaubwürdigkeit.»

Hinzu kommt: Von ökonomischen Krisen sind längst nicht alle Kundinnen und Kunden gleich stark betroffen. Für viele sind weiterhin andere übergeordnete Themen relevanter, etwa Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit. Glaubwürdige Botschaften zur Mission und zum Engagement eines Unternehmens in solchen Bereichen bleiben somit wichtig. «In der Schweiz sind wir selbst in unsicheren Zeiten weit weg von einer echten Bedrohung und werden kaum aus unserer Komfortzone gerissen», sagt Walter Stulzer. «Die meisten Leute verharren somit auf der gleichen Stufe der Bedürfnispyramide, weshalb auch die gleichen Botschaften für sie relevant bleiben.»

Tonalität auf Emotionen abstimmen

Wenn Unternehmen in Krisenzeiten ihre Werbebotschaften überprüfen, zählt neben dem Inhalt genauso die Form. «Es braucht einen Tonabgleich: Passt die Tonalität unserer Werbung noch dazu, wie sich die Menschen gerade fühlen?», so Tanja Herrmann. «Das bedeutet aber nicht, dass Werbung nur noch ernst sein muss. Humor ist auch in Krisen durchaus erlaubt, wenn er zur Zielgruppe und zum Unternehmen passt.»

Überhaupt gilt: Bestehen Botschaften und Tonalität den kritischen Aktualitätscheck, spricht nichts dagegen, weiter auf Kampagnen der bewährten Art zu setzen. Im besten Fall vermitteln sie in Krisenzeiten ein Gefühl von Vertrautheit und Sicherheit.

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