Kreativität und Analytics – mehr Wirkung erzielen Wie das erfolgreiche Zusammenspiel gelingt
Datenanalyse und Kreativität: Auf den ersten Blick passt das nicht zusammen. Daten gelten als rational, Kreativität als emotional. Doch für erfolgreiche Kampagnen brauchen die kreativen Köpfe von Marketing und Kommunikation Wissen über die Zielgruppen – und dieses Wissen steckt in den Daten. Deshalb ist ein eingespieltes Miteinander von Datenanalysten und Kreativen so wichtig.
Unternehmen, die Kreativität und Daten im Tandem nutzen, haben doppelt so hohe Wachstumsraten wie Unternehmen, die das nicht tun. Zu diesem Fazit kommt eine Studie von McKinsey. Darin untersuchte das Beratungsunternehmen den Erfolg von Unternehmen, in denen die Data- und Kreativteams mehr oder weniger eng zusammenarbeiten. Je enger das Miteinander, desto besser schnitten die Teams ab.
Das alte Vorurteil, dass Kreativität und Analytics nicht zusammenpassen, ist damit endgültig widerlegt. Denn erfolgreiche Marketers wissen schon lange: Eine Kampagne hat die grössten Erfolgschancen, wenn sie den Nerv der Zielgruppe trifft. Und das Wissen über Verhalten und Vorlieben der Zielgruppe steckt in den Daten.
Wie kommen Unternehmen an diese Daten? Sie besitzen sie bereits – in ihren digitalen Datenbanken mit Kunden- und Nutzungsdaten. Nun gilt es, mit verschiedenen Methoden der Datenanalyse die benötigten Erkenntnisse herauszuziehen.
Erkenntnisse und Ideen aus Big Data
Für optimale Lösungen fliessen dabei sowohl harte Fakten aus der Kundenhistorie als auch weiche Fakten aus Kundenbefragungen ein. Weitere wertvolle Informationen für das Briefing an die Kreativen liefern Erfolgskontrollen sowie das Tracking der User Journey und der Customer Experience bei bisherigen Kampagnen. Dabei gilt: Je präziser und umfassender der Input, desto zielgerichteter der Output. So lassen sich die Hauptbotschaft und die kreative Umsetzung der Kampagne ganz auf die Bedürfnisse und Besonderheiten der Zielgruppe abstimmen, welche die Datenanalyse zum Vorschein gebracht hat.
Die Grundlage für Analytics im Marketing ist die zentrale Datenbank, meist das CRM-System des Unternehmens. Auf dieser Data Plattform speichern Sie die Nutzungsdaten. Pflegen Sie Ihre Kundenprofile und reichern Sie sie mit allen relevanten Informationen an. Können Sie Ihre Marketingaktivitäten und die Reaktionen Ihrer Kunden und Interessenten ebenfalls dokumentieren? Dann sind Sie den wertvollen Informationen über Interessen, Vorlieben, Kaufverhalten sowie zu den bevorzugten Kanälen bereits einen grossen Schritt näher. Aus dieser Datensammlung über alle Nutzer, die sich für Ihr Unternehmen und Ihre Angebote interessieren, gilt es, die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Von Big Data zu Business Intelligence
Um die Datenspuren in Erkenntnisse über Ihre Zielgruppen zu verwandeln, wenden Datenanalysten Analysetechniken wie Data Mining, statistische Methoden und Prognosemodelle an. Dadurch erkennen sie etwa, in welcher Phase des Lebenszyklus sich ein Kunde befindet und welche Produkte er wahrscheinlich als Nächstes kaufen wird. Nun können Sie den Kaufentscheid mit geeigneten Dialogmassnahmen vorantreiben.
Eine sogenannte Churn-Analyse wiederum zeigt, ob und zu welchem Zeitpunkt Reaktivierungsmassnahmen notwendig sind, damit Kunden nicht abspringen. Das hilft Ihnen, das Kampagnenbudget gezielt einzusetzen und die Kunden entlang der Customer Journey und ihres Lebenszyklus kommunikativ zu begleiten.
Vergleich mit dem Gesamtmarkt
Spannend wird es zudem, wenn Ihre Analysten die eigenen Kundendaten mit dem Gesamtmarkt vergleichen. So erkennen Sie, welche Merkmale bei den eigenen Kunden stärker oder schwächer ausgeprägt sind als bei der Gesamtheit. Mit diesen Insights können Sie Werbekampagnen so gestalten, dass vor allem Personen mit gleichen Merkmalen angesprochen werden, die noch nicht zu den Kunden gehören.
Mit Use Case beginnen
Doch was tun, wenn die Datenlage dünn ist? Jürg Meierhofer lehrt und forscht an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaft ZHAW zum Thema Smart Service Engineering. Er beschäftigt sich täglich mit der Erzeugung von Servicenutzen aus Daten und empfiehlt folgende Zwischenschritte: «Wenn die Datengrundlage erst am Entstehen ist, können erfahrene Mitarbeitende das nötige Wissen ergänzen, um ein Modell zu erstellen. Oder Unternehmen beginnen mit einem Use Case, der bereits auf einer einfachen Datenbasis ersten Nutzen erzeugt. Das weckt den Appetit auf mehr und überbrückt die Zeit, bis weitere Daten gesammelt und bereinigt sind.»
Um die digitale Datenbank zu füttern oder Prognosen aus Modellen zu prüfen, lohnt es sich, Elemente der Kampagne zu testen. Dazu gehört zum Beispiel ein klassisches A/B-Testing, um die Performance unterschiedlicher Werbemittel zu vergleichen. Genauso lässt sich testen, welcher Call to Action die Zielgruppe am besten zum Handeln motiviert. Egal, für welche Analytics sich Firmen entscheiden: Durch den Einsatz datengetriebener Entscheide werden Kampagnen relevanter und effektiver – also erfolgreicher. Und das motiviert Data Scientists und Kreative gleichermassen.
Kreative werden datengetriebener
Die erwähnte Studie von McKinsey zeigt nicht nur, dass Unternehmen mit integrierten Teams aus Kreativen und Datenanalysten überdurchschnittlich erfolgreich sind. Die enge Zusammenarbeit im Kampagnenteam verändert auch die Arbeit an sich. Durch den Einbezug der Data Science werden die kreativen Funktionen datengetriebener und das datengetriebene Marketing kreativer.
Wie kommt das? Gemäss McKinsey waren Kundeninformationen lange die Domäne von Datenanalysten. Nun werden Informationen und Daten auch von kreativen Spezialisten im Marketing genutzt, etwa von Kampagnenmanagern und Contentproduzenten. So rückt das Wissen über die Nutzer ins Zentrum des Kampagnenmanagements. Das wertet die Rolle der Datenanalysten auf und gibt ihnen eine neue Stimme innerhalb des kreativen Prozesses. Sie sind stärker involviert, beteiligen sich aktiv an der Erstellung einer neuen Kampagne. Aus ihren Daten entwickeln sie selbst kreative Ideen, die das Marketingteam prüfen und umsetzen kann.
Mehr Erfolg durch das «T»
Jürg Meierhofer empfiehlt Führungskräften den Einsatz von Teams, deren Mitglieder «T-shaped» sind. Solche Teams besitzen ein gemeinsames Basiswissen, was den waagrechten Querbalken des «T» symbolisiert. Es reicht, wenn zwei Personen überlappende Kenntnisse zu einem Thema besitzen und im Team ein gemeinsames Verständnis vorhanden ist. Denn alle Teammitglieder sind auch auf ein individuelles Fachgebiet spezialisiert. Das erklärt den senkrechten Strich des «T» . Diese Mischung vereinfacht den Perspektivenwechsel, den Blick über den Tellerrand und die Entwicklung von innovativen Ideen.
In der McKinsey-Studie zeichnen sich die integrierten Teams nicht zuletzt durch ein höheres Tempo aus. Denn lange Dienstwege und organisatorische Hürden fallen weg. So können neue Ideen, Botschaften und Werbemittel schneller und häufiger getestet werden – was dann wieder für belastbarere Daten sorgt. Das Resultat: ein markant beschleunigter Prozess fürs Kampagnenmanagement.
«Scheitern sollte als Weg zum Erfolg betrachtet werden» Interview mit Dr. Jürg Meierhofer
Herr Meierhofer, worauf müssen sich KMU einstellen, wenn sie das Thema Datenanalyse angehen wollen?
Das Thema hat verschiedene Perspektiven. Die erste Perspektive ist die strategische beziehungsweise businessorientierte: Welches Ziel oder welcher Nutzen soll erreicht werden? Zweitens gibt es die technische Perspektive, welche die nötigen Skills verlangt, um Daten zu erheben, zu analysieren und die Ergebnisse zu deuten. Das ist nicht trivial, sondern braucht Fachpersonen. Drittens besteht eine kulturelle Perspektive: Eine datengetriebene Herangehensweise wirkt sich auf die Organisation und deren Kultur aus. Das Unternehmen muss sich auf die kulturelle Veränderung einlassen, dass ein datengetriebenes, exploratives Projekt häufig einen offenen Ausgang hat und auch scheitern kann.
Welche Fehler beobachten Sie am häufigsten – und wie lassen sie sich vermeiden?
Viele Unternehmen verlieren nach den ersten Rückschlägen den Glauben an den Nutzen. Doch Scheitern gehört dazu und sollte als Weg zum Erfolg betrachtet werden. Ein weiteres Problem: In KMU sind die Ressourcen für datengetriebene Projekte eher knapp – oder werden abgezogen, wenn das operative Geschäft drängt. So versandet das Projekt früher oder später. In solchen Fällen kann es gerade für ein KMU sinnvoll sein, sich zum Beispiel mit anderen KMU zusammenzuschliessen oder eine Partnerschaft einzugehen.
Welche Analysemethoden eignen sich für welche Unternehmen?
Das kommt auf das jeweilige Unternehmen und den Use Case an. Ein bewährtes Methodenset umfasst aber das Clustering – die Gruppenbildung anhand bestimmter Merkmale. Dann gibt es die Klassifikation, die neue Datensätze in bestehende Klassen einordnet. Ebenfalls gängig sind Regressionen, also die Vorhersage von Werten. Diese verlangen Daten aus der Vergangenheit, um die Werte in die Zukunft zu prognostizieren. Interessant können zudem Ausreisseranalysen sein: die Analyse von ungewöhnlichen Verhaltensweisen.
Dr. Jürg Meierhofer hat an der ETH Zürich in Elektrotechnik promoviert und verfügt über ein Executive MBA der Universität Fribourg. Er lehrt und forscht an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaft ZHAW in Winterthur. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören Smart Service Engineering, Industrie 4.0 und Service Innovation. Viele seiner Forschungsprojekte werden in Zusammenarbeit mit Schweizer Unternehmen durchgeführt.