In 5 Schritten zur geschlechtsneutralen Sprache Neue Schreibgewohnheiten für gendergerechtes Texten
Nicht mehr das Ob ist die Frage, sondern das Wie: Sprachliche Gleichberechtigung ist heute ein Muss, damit sich alle Menschen gleichermassen angesprochen fühlen. Doch mit dem Wie ist es so eine Sache: Beim Schreiben und Sprechen immer auch das Geschlecht mitzudenken, setzt Sorgfalt, Kreativität und ein gutes Gefühl für die Sprache voraus.
Sprache ist nicht nur unser zentrales Kommunikationsmittel, sondern auch ein Spiegelbild der Gesellschaft. Zwischen Denken und Sprachverhalten bestehen enge Wechselwirkungen. Unsere Vorstellungen fliessen in sprachliche Äusserungen ein, und die verwendeten Sprachformen beeinflussen wiederum unser Denken. Daher kann die Sprache von Medien und Unternehmen den gesellschaftlichen Wandel unterstützen oder auch bremsen. Vor allem aber zeigt die Sprache die Haltung des Unternehmens: Ist es aufgeschlossen und fortschrittlich oder hält es an veralteten Usanzen fest? Klar ist: Wenn zur Zielgruppe Menschen aller Geschlechter zählen, tut das Unternehmen gut daran, sich vom generischen Maskulinum zu verabschieden und stattdessen geschlechtsneutral zu schreiben.
Schritt 1: Schreibgewohnheiten ändern
Das generische Maskulinum – also das Mitmeinen von Frauen und queeren Menschen durch männliche Personenbezeichnungen – hat in der modernen Sprache ausgedient. Doch die Umstellung vom generischen Maskulinum auf eine inklusive und geschlechtergerechte Sprache braucht eine Änderung von Routinen. Binden Sie daher die Kontrolle von Personenbezeichnungen bewusst in die Textüberarbeitung mit ein. Mit der Zeit entwickeln Sie eine Sensibilität dafür und diese kleine Kontrollschleife wird zur Gewohnheit.
Schritt 2: Satzbau und Wortart umformulieren
Eine geschlechtergerechte Sprache kann einen Text schwerfällig machen, insbesondere dann, wenn die Paarform gewählt wird. Es gibt jedoch Möglichkeiten, den Satz genderneutral zu schreiben. So können Sie zum Beispiel die Tätigkeit, statt die Person ins Zentrum stellen oder die direkte Anrede verwenden. Dies erfordert etwas sprachliche Kreativität und die Bereitschaft, bei der Sprache alte Gewohnheiten zu überdenken. Hierzu ein paar Beispiele:
- Tätigkeit statt Person
Statt: Dies kann den Leser irritieren.
Besser: Dies kann beim Lesen irritieren.
- Direkte Anrede
Statt: Der Antragsteller hat das Formular vollständig auszufüllen. / Name des Antragstellers
Besser: Bitte füllen Sie das Formular vollständig aus. / Ihr Name
- Infinitiv
Statt: Jeder Kursteilnehmer soll das Formular ausfüllen.
Besser: Bitte ausfüllen, danke!
- Passivformen
Statt: Der Arbeitnehmer erhält die Kinderzulagen mit dem Lohn.
Besser: Die Kinderzulagen werden mit dem Lohn ausbezahlt.
- Partizip Perfekt
Statt: Herausgeber, Vertreter
Besser: herausgegeben von, vertreten durch
- Pronomen anstelle des Subjekts
Statt: Studenten, die ein Stipendium erhalten
Besser: Alle, die ein Stipendium erhalten... Diejenigen, die ein Stipendium erhalten... Wer ein Stipendium erhält...
Statt: Ein Reporter, der...
Besser: Wer eine Reportage schreibt,...
- Handlungsbezeichnende Substantive
Statt: Die Besucher des Seminars sind verpflichtet, an der Diskussion teilzunehmen.
Besser: Der Besuch des Seminars verpflichtet zur Teilnahme an der Diskussion.
- Plural
Statt: Der Verantwortliche muss zur Rechenschaft gezogen werden.
Besser: Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden.
- Adjektiv
Statt: Lift für Rollstuhlfahrer
Besser: Rollstuhlgängiger Lift
Schritt 3: Stereotype Rollenbilder vermeiden
Verzichten Sie auf Sprachbilder, die stereotype Rollenbilder widerspiegeln.
Statt: Mütterberatung
Besser: Elternberatung
Statt: Mannschaft
Besser: Team, Gruppe
Statt: Für Frauen und Kinder bieten wir ein Rahmenprogramm an.
Besser: Für die Begleitpersonen bieten wir ein Rahmenprogramm an.
Schritt 4: Geschlechtsneutrale Ausdrücke verwenden
Eine gute Alternative zu Paar- und geschlechtergerechten Formen sind geschlechtsneutrale Ausdrücke wie «alle», «Person», «Mensch», «Kind», «Verkaufsteam» oder «Mitglied». Einige jedoch wirken eher schwerfällig wie zum Beispiel «Lehrkraft», «Bibliothekshilfe» oder «Kundschaft». Eine oft verwendete Alternative ist die geschlechtsneutrale Pluralbildung mit dem substantivierten Partizip, zum Beispiel «Mitarbeitende», «Lehrende» oder «Studierende». Doch sie ist streng gesehen nicht korrekt. Denn die betreffende Person ist nicht permanent dabei, zu lehren, mitzuarbeiten, zu studieren.
Schritt 5: Einheitliche geschlechtsneutrale Sprache festlegen
Nicht immer lässt sich das generische Maskulinum elegant durch eine gendergerechte Schreibweise ersetzen. Für diese Fälle definieren Sie im Rahmen Ihres Corporate Wordings die Vorgehensweise für eine geschlechtsneutrale Sprache. Ob Genderzeichen, Binnen-I oder abwechselnd männliche und weibliche Form – jede der nachstehenden Formen hat Vor- und Nachteile:
Vorteile:
Gendersternchen: «Mitarbeiter*innen» | Doppelpunkt: «Mitarbeiter:innen» | Binnen-I: «MitarbeiterInnen» | Paarform: Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen | Abwechslung von männlicher und weiblicher Form und neutralen Schreibweisen | |
Meint alle Menschen, auch nicht-binäre Personen | ✓ | ✓ | ✓ | ✓ | |
Bettet sich optisch schön in den Text ein | ✓ | ✓ | ✓ | ✓ | |
Kann einen «Stolpereffekt» haben, der Aufmerksamkeit schafft | ✓ |
Nachteile:
Gendersternchen: «Mitarbeiter*innen» | Doppelpunkt: «Mitarbeiter:innen» | Binnen-I: «MitarbeiterInnen» | Paarform: Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen | Abwechslung von männlicher und weiblicher Form und neutralen Schreibweisen | |
Setzt unerwünschten optischen Schwerpunkt auf das Gendern | ✓ | ||||
Eignet sich vorwiegend für Pluralformen, da schwierig zu deklinieren | ✓ | ✓ | |||
Nicht suchmaschinen-freundlich | ✓ | ✓ | |||
Verlängert den Text | ✓ | ||||
Macht die Sprache schwerfällig | ✓ | ||||
Kann beim Lesen irritieren | ✓ | ||||
Lässt sich nicht flüssig aussprechen oder wirkt langatmig | ✓ | ✓ | ✓ | ✓ |
Fazit
Es gibt nicht DIE Lösung. Wichtig ist, dass Sie für Ihr Unternehmen eine gendergerechte Sprache festlegen und darauf achten, dass Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die gewählte Genderform anwenden. Und: Mit der Gewohnheit beim Schreiben kommt die Leichtigkeit!