Warum Menschen kaufen, was sie kaufen Erkenntnisse aus der Hirnforschung fürs Marketing
Die Hirnforschung liefert die Erkenntnis, dass Kaufentscheidungen zum überwiegenden Teil unbewusst getroffen werden und fast immer emotional geprägt sind – auch wenn der Kunde sie rational begründet. Diesem menschlichen Verhalten liegt ein Motivations- und Emotionssystem zugrunde, das Kaufmotive generiert. Das heisst für das Marketing: Produkte und Dienstleistungen visualisieren, emotionalisieren und über multisensorische Reize erlebbar machen. Denn nur die emotionalisierende Botschaft erreicht das emotionale Wesen Kunde.
Warum Menschen kaufen
Die Forschung hat in den vergangenen Jahren versucht, hinter das Geheimnis der unbewussten Vorgänge beim Kaufen zu kommen. Dr. Hans-Georg Häusel (Autor der Bücher «Neuromarketing» und «brain Skript») erklärt die Zusammenhänge einleuchtend am Emotionsmodell im menschlichen Gehirn. Im Zentrum dieses Modells stehen die lebenswichtigen physiologischen Vitalbedürfnisse wie Atmung, Nahrung, Schlaf und Sexualität. Neben diesen grundlegenden Bedürfnissen gibt es sieben Motivationselemente und drei grosse Emotionssysteme in unserem Gehirn.
Die 7 Motivationselemente und Beispiele für Kaufmotive
Motivation Fürsorge
Kaufmotiv für Vorschule, Kinderarzt, Kindernahrung und -kleidung, Geschenke, Blumen, Haustiere, Naturschutz, Spenden
Motivation Bindung
Kaufmotiv für Kundenzeitschriften, Mitgliedschaft in Clubs und Vereinen, Teilnahme an Kundenevents, Firmenkleidung, Nutzen von After Sales Services
Motivation Jagen
Kaufmotiv für Schnäppchen, zeitlich befristete Angebote, Angelsport, verknappte Produkte
Motivation Kämpfen
Kaufmotiv für Wettkampfsport, Produkte, die Stärke beweisen, Produkte mit Preisnachlässen
Motivation Spielen
Kaufmotiv für Spielwaren, Sportspiele, Glücksspiele, Geräte mit vielen Funktionen, Probefahrten, Produkte, die beim Kauf angefasst und ausprobiert werden können
Motivation Männliche Sexualität
Kaufmotiv für Körperpflege, Autos, Produkte, die den Wohlstand unterstreichen, Sexartikel, Produkte, deren Werbung eine Überlegenheit des Käufers betont
Motivation Weibliche Sexualität
Kaufmotiv für Kosmetik, Mode, Schönheitsoperationen, Schmuck, Produkte, welche versprechen, die Attraktivität zu steigern
Die drei grossen Emotionssysteme
Neben den Motivationselementen haben wir Emotionssysteme entwickelt. Diese drei so genannten Limbischen Systeme bestimmen unser Leben und Handeln weitgehend: Die Stimulanz, die uns ständig auf die Suche nach Neuem schickt, die Dominanz, die uns befähigt, zu führen und zu kämpfen und die Balance, die uns Stabilität und Sicherheit gibt.
Stimulanz: |
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Dominanz: |
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Balance: |
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- Der vorwiegend durch Stimulanz getriebene Kunde sucht Erlebnis-Gastronomie, Genussmittel, Produkte, die anders sind, neues Design, Film, Fernsehen, neue Bekanntschaften, Reisen und alles, was nach Abenteuer riecht
- Der Dominante fragt nach Statusprodukten wie Uhren, Parfüm oder Mode, VIP-Status, und VIP-Events, Autos, Maschinen, die eine Selbstverwirklichung verstärken, Produkte, die überlegene Kennerschaft signalisieren oder die Effizienz erhöhen
- Die Balance suchenden Käufer schauen bevorzugt nach Versicherungen, Arztbetreuung, Medikamenten, Sicherheitsgurt und Airbag, Garantien, immer demselben Hotel oder Restaurant, Traditionsprodukten von Familienunternehmen
Zusätzlich entdeckten die Forscher drei Emotionsfelder, die zwischen den oben erwähnten Hauptfeldern liegen:
- Kontrolle (zwischen Balance und Dominanz)
- Revolution/Abenteuer (zwischen Dominanz und Stimulanz)
- Offenheit/Genuss (zwischen Balance und Stimulanz)
Jeder Mensch empfindet anders
Das Motivations- und Emotionssystem jedes Menschen ist unterschiedlich ausgeprägt. In sieben Gruppen lassen sich die einzelnen Ausprägungen zusammenfassen; die Verteilung ist allerdings nach Alter und Geschlecht stark verschieden. Das Marketing muss versuchen, seine Zielpersonen entsprechend ihrer Motivations- und Emotionslage anzusprechen, wobei zwei Dinge entscheidend sind: Je älter die Menschen werden, desto stärker betonen sie den Balance-Bereich ihres Emotionssystems und zweitens werden im Dominanz-System vor allem die Werte von Männern angesprochen. Dabei ist wichtig zu wissen, dass 70 Prozent aller Kaufentscheide in den Haushalten Frauen allein treffen oder massgeblich beeinflussen.
Die 7 Kundentypen
Schlüssel-Erkenntnisse
- Kauf- und Konsumverhalten werden durch die Motiv- und Emotionssysteme im Gehirn gesteuert; diese Vorgänge spielen sich blitzartig und unbewusst ab.
- Jedes Produkt, jede Marke und auch ganze Märkte erhalten ihre Bedeutung und ihren Wert aus den Emotions- und Motivsystemen, die sich im Gehirn des Kunden aktivieren.
- Entscheidungen werden emotional getroffen und rational begründet. Je mehr positive Emotionen in der Kaufsituation angesprochen werden, desto eher wird gekauft. Die meisten Kaufentscheide fallen unbewusst.
- Emotionale Erfahrungen werden vom Gehirn lange gespeichert, wobei der letzte Eindruck entscheidend ist.
- Gerade nebensächliche Eindrücke in der Situation des Geschäftskontaktes bleiben haften und bilden den Gesamteindruck entscheidend mit.
- Der Kunde ist sich bewusst, dass Marketing und Werbung seine Entscheidungen beeinflussen sollen und wehrt sich dagegen. Allerdings ohne Erfolg, denn sein Gehirn geht den bekannten Weg.
- Marken haben Vertrauen gebildet und werden deshalb gekauft.
- Die Vermittlung von sensorischen Reizen erhöht die Wahrnehmung von Botschaften, lässt diese länger in der Erinnerung nachwirken und beeinflusst das Verhalten der Rezipienten. Zum Beispiel erhöhte die Beduftung der Nike Stores die Kaufabsicht der Besucherinnen und Besucher um 80 Prozent.
- Bildwelt und Tonalität sowie die Marketing- und Kommunikationsinstrumente müssen auf das Emotionssystem des Kunden abgestimmt sein. Andernfalls fühlen sich die Zielpersonen nicht angesprochen, und die Botschaft verpufft.
- Fachartikel «Warum Kunden kaufen» von Christoph Portmann, erschienen im Organisator
- «Wie die Kenntnis über die Denkweise von Kunden sicherere Entscheidungen ermöglicht» von Gustav Greve, erschienen in Blickpunkt: KMU
- Buch «Neuromarketing» von Dr. Hans-Georg Häusel