So haben sich Kundenbindungsprogramme weiterentwickelt

So haben sich Kundenbindungsprogramme weiterentwickelt Trends und Erfolgsfaktoren für die systematische Kundenbindung

Punkte sammeln, Prämien einlösen, von Aktionen profitieren: Kundenbindungsprogramme sind besonders in der Schweiz sehr beliebt. In den letzten Jahren haben sie sich durch die Digitalisierung stark verändert. Gleichzeitig sind die Erwartungen der Nutzenden gestiegen. Was ein gutes Programm heute auszeichnet, erfahren Sie in unserer Übersicht und im Interview mit Experte Michael Bietenhader.

Eine Frau bezahlt mit dem Smartphone an der Kasse
Erfolgsfaktor Smartphone: Mobile Payment gehört zu den bedeutendsten Trends bei den Programmen zur Kundenbindung.

Die Schweiz ist seit Langem ein Volk von Punktesammlern. Während des Zweiten Weltkriegs und in den folgenden Jahrzehnten sammelte die Bevölkerung fleissig Silva-, Mondo- und Bea-Punkte, heute unter anderem Cumulus- und Superpunkte. Gemäss der internationalen Studie «Die Zukunft des Einkaufens» von Comarch und Kantar TNS nehmen hierzulande 77% der Konsumierenden an mindestens einem Bonusprogramm teil. Zum Vergleich: In Deutschland sind es nur 64%. Die Retail Loyalty-Studie von Ingenico Marketing Solutions spricht für die Schweiz sogar von 88% Teilnehmenden. Ohne Zweifel sind Programme zur Kundenbindung ein Erfolgsfaktor, um die Loyalität der Kundinnen und Kunden zu stärken. Und ihre Bedeutung hat gemäss der Retail Loyalty-Studie in den letzten drei Jahren bei einem Drittel der Bevölkerung sogar noch zugenommen.

Mit Abstand am häufigsten nutzen Schweizer Kundinnen und Kunden Programme des Lebensmitteleinzelhandels, gefolgt von Apotheken und dem Modehandel. Für 56% der Befragten ist ein Bonusprogramm ein wichtiger Grund, wieder beim Anbieter einzukaufen. Sogar mehr als 70% der Kundinnen und Kunden würden bei passenden Incentives häufiger bei diesem Unternehmen einkaufen. «Würden», denn bei vielen Programmen zur Kundenbindung besteht offenbar noch grosser Verbesserungsbedarf. In der Studie von Comarch und Kantar TNS bezeichnen 38% der Befragten keines der ihnen bekannten Programme als «begeisternd». Dieses ernüchternde Resultat dürfte daran liegen, dass die Unternehmen ihre Programme zu wenig stark modernisiert haben. Ein aus Sicht der Kundinnen und Kunden gutes Programm muss heute viel mehr bieten als noch vor ein paar Jahren.

1. Grundprinzip

Bisher

  • Daten preisgeben, Punkte sammeln und Prämien erhalten

Neu

  • Durch Auswertung von Kundendaten unterschiedliche Möglichkeiten, loyales Verhalten zu honorieren
  • Zusätzlich zum reinen Punktesammeln Trend zu relevantem Content, Produktvorschlägen, Community, Involvement-Massnahmen etc.
  • Zu den Erfolgsfaktoren gehört, die Nutzenden auch ausserhalb ihres Kaufzyklus einzubinden

2. Ziele

Bisher

  • Häufigere und grössere Einkäufe auslösen
  • Durch Daten Kundenverhalten analysieren

Neu

  • Unverändert: Häufigere und grössere Einkäufe auslösen
  • Durch kontinuierlichen individuellen Dialog langfristige Beziehung aufbauen
  • Mithilfe der gewonnenen Nutzungsdaten die kundennahen Prozesse entlang der Customer Journey vereinfachen und intuitiver gestalten

3. Interaktion

Bisher

  • Kundinnen und Kunden zeigen an der Kasse ihre Kundenkarte
  • Physische Mailings mit Infos zu Punktestand, Gutscheinen und Übersicht der weiteren möglichen Prämien

Neu

  • Via App an allen Points of Purchase (Einkaufskanäle) Punkte sammeln und Prämien einlösen
  • Infos per App zum Punktestand und zu allen weiteren Incentives
  • Als Alternative zur App Kundenkarte digital in einem Wallet hinterlegen
  • Physische Kundenkarte auf Wunsch weiterhin erhältlich
  • Kommunikation jederzeit crossmedial möglich
  • Botschaften aufgrund der Kundendaten hyperpersonalisiert und automatisiert ausgespielt

4. Preis

Bisher

  • Kundenbindungsprogramme in der Regel kostenlos

Neu

  • Trend hin zu Paid-Loyalty-Programmen mit monatlicher oder jährlicher Abogebühr
  • Kundinnen und Kunden erhalten als Gegenleistung attraktive und vor allem exklusive Zusatzvorteile
  • Oftmals als Premium-Variante des kostenlosen Programms geführt
  • Da die Kundinnen und Kunden eine Gebühr bezahlen, suchen und kaufen sie Produkte als Erstes bei «ihrem» Anbieter

5. Digitalisierung

Bisher

  • Infos zur Funktionsweise des Programms im Onlineshop oder auf der Corporate-Website des Unternehmens
  • Bei kleineren Programmen oft kein Login-Bereich und keine App

Neu

  • Erfolgsfaktor App: Sie ist der Hub für alle Informationen und Funktionen des Programms wie Filialfinder, Onlineshop, Punkte sammeln und einlösen, Aktionen, Events, Community und Einladen von Freunden
  • Einbinden von Support- und Feedbackfunktionen, um technische Mängel oder spezifische Probleme von Kundinnen und Kunden entlang der Customer Journey zu eliminieren
  • Dank Ortungsdiensten und Nutzungsdaten Trend zu neuen Arten von Angeboten wie individuellen, zeitlich begrenzten Aktionen
  • Für Personen ohne Smartphone: Landingpage mit geschütztem Login-Bereich fürs Programm zur Kundenbindung

Steigern Sie die Wirkung Ihres Kundenbindungsprogramms

Konsumierende erwarten heute viel von Ihrem Kundenbindungsprogramm. Erfüllen Sie die hohen Ansprüche: In unserem Leitfaden lernen Sie die Erfolgsfaktoren kennen. Dank der Tipps zu Konzeption, Umsetzung und Optimierung machen Sie Ihr Programm zu einer lohnenden Investition.

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6. Bezahlfunktion

Bisher

  • Kundenkarte ohne Bezahlfunktion

Neu

  • Entsprechend dem aktuellen Trend zu Mobile Payment: App als Bezahlmedium über alle Points of Purchase hinweg
  • Prämien und Rabatte werden automatisch eingelöst/abgezogen
  • Durch Self-Scanning-Funktion der App oder kassenlose Check-out-Lösungen vereinfachter Bezahlprozess an physischen Points of Purchase

7. Gamification

Bisher

  • Einfache Arten der Gamification als Einzelmassnahmen, zum Beispiel Rubbelflächen auf Mailings mit Gutscheinen

Neu

  • Trend zu spielerischen Elementen, die direkt in die App integriert werden: zeitlich unbegrenzte Games, temporäre Gewinnspiele oder gemeinsame Games für die Community
  • Neben eigentlichen Spielen lassen sich auch Zusatzservices mit spielerischem Charakter einbauen, etwa Augmented-Reality-Funktionen wie virtuelles Einrichten oder Anprobieren

8. Incentives (Belohnungen)

Bisher

  • Kundinnen und Kunden wollen sparen
  • Daher vor allem finanzielle Incentives in Form von Gutscheinen oder Rabatten

Neu

  • Trend zur Personalisierung: Incentives individualisiert aufgrund von Daten zu Person, Einkaufsverhalten und Programmnutzung
  • Kundinnen und Kunden wollen weiterhin sparen, erwarten aber auch Convenience beim Einkaufen, Exklusivität und Wertschätzung
  • Finanzielle Benefits bleiben zentral
  • Zusätzliche nichtmonetäre Vorteile als immer wichtigerer Erfolgsfaktor
    • Einerseits Vereinfachungen und Zusatzdienste rund um den Einkaufsprozess
    • Andererseits Events, exklusive Erlebnisse, die man nicht kaufen kann, oder Zugang zu Fachwissen
  • Vermehrt Incentives im sozialen Bereich (Spenden) und im ökologischen Bereich (Kompensation CO2), sofern sie zur Marke passen

«Jeder Kunde wird durch andere Belohnungen getriggert» Im Gespräch mit Michael Bietenhader, Inhaber und Geschäftsführer MilesAhead

An welchen Kundenbindungsprogrammen nehmen Sie persönlich teil?

Berufsbedingt bin ich bei vielen angemeldet. Aktiv als Kunde nutze ich die Supercard, das Programm meines ehemaligen Arbeitgebers Coop, sowie «Miles & More», «UBS KeyClub», «myMcDonald’s» und die Stempelkarte meines Fahrradhändlers. Gut gefallen mir zudem das Kundenbindungsprogramm von Jack Wolfskin und «Poinz».

Was zeichnet für Sie ein gutes Kundenbindungsprogramm aus?

Erstens muss es leicht verständlich sein. Komplexität schreckt die Kundinnen und Kunden ab, besonders in den Low-Involvement-Branchen. Zweitens stimmt bei einem guten Kundenbindungsprogramm die Value Proposition. Als Kunde will ich wissen, was ich bekomme. Diese Benefits müssen für die Zielgruppe relevant sein und zur Marke passen. Gerade in diesen Punkten überzeugt mich das Treueprogramm von Jack Wolfskin.

Welche Erfolgsfaktoren müssen erfüllt sein, damit ein Kundenbindungsprogramm seine Wirkung entfaltet?

Neben der Value Proposition ist der wichtigste Erfolgsfaktor eine kontinuierliche Kommunikation. Es genügt nicht, wenn sich die Kundinnen und Kunden für das Bonusprogramm anmelden. Dann beginnt die Arbeit im Marketing erst. Die Kommunikation sollte aber kein Monolog sein, sondern ein Dialog. Aus den Daten, die aus der Kundenbeziehung und dem Dialog gewonnen werden, erfahren Unternehmen, was sich ihre Kundinnen und Kunden wünschen. Mithilfe dieser Daten gelingen Segmentierung und Personalisierung: Die einzelnen Mitglieder des Kundenbindungsprogramms erhalten auf ihre Bedürfnisse abgestimmte Angebote.

Welche Rolle spielen dabei physische Kanäle wie individualisierte Mailings?

Sie spielen eine immer grössere Rolle. Lange Zeit wurden physische Mailings in vielen Unternehmen durch E-Mails verdrängt, weil diese verhältnismässig kostengünstig verschickt werden können. Doch wenn ich heute mit Unternehmen spreche, nehme ich einen Gegentrend wahr. Das liegt einerseits daran, dass unser E-Mail-Postfach überquillt, während die Menge im physischen Briefkasten abnimmt und daher jede Sendung stärker auffällt. Andererseits lassen sich inzwischen auch gedruckte Mailings automatisieren und in die Customer Journey integrieren. Nicht zuletzt punktet das Haptische. Viele Kundinnen und Kunden mögen es, etwas in den Händen zu halten. Diesen Effekt beobachten wir auch bei den Kundenkarten.

Inwiefern?

Die App fürs Smartphone ist heute für viele Programme zur Pflicht geworden. Unsere Umfragen zeigen aber, dass sich zahlreiche Kundinnen und Kunden gerade im Handel auch eine physische Kundenkarte wünschen. Unternehmen sollten sich also überlegen, eine Karte zumindest als Opt-in-Möglichkeit anzubieten. Wer sie bestellt, kommt mit der Marke buchstäblich immer wieder in Berührung. Hier besteht eine Analogie zum physischen Mailing.

Wie entscheiden die Benefits über den Erfolg eines Kundenbindungsprogramms?

Heute sind viele Programme zur Kundenbindung monetär getrieben. Die Kundinnen und Kunden erhalten Rabatte, Gutscheine oder Bonuspunkte. Doch Kundenbindung geht viel weiter. Sie hat neben der rationalen eine emotionale Seite, die Unternehmen durch Wertschätzung und Anerkennung ansprechen – zum Beispiel mit Überraschungen, exklusiven Dienstleistungen oder Statusvorteilen. Zudem wird jede Kundin und jeder Kunde durch andere Belohnungen getriggert. Deshalb sollten die Benefits datengetrieben und individuell sein, um den grössten Erfolg zu erzielen. Weiter empfehle ich, neben der Ausschüttung von Standard-Bonuspunkten – häufig ein Punkt pro ausgegebenem Franken – vor allem Verhaltensänderungen und sogenannte Advocacy-Aktivitäten mit zusätzlichen Punkten zu belohnen. Zu den Advocacy-Aktivitäten gehören zum Beispiel Bewertungen, Empfehlungen oder die Präsentation von Produkten auf Social-Media-Kanälen.

Bekannt sind primär die Kundenbindungsprogramme grosser Unternehmen. Welches Vorgehen zur Kundenbindung empfehlen Sie einem KMU?

Am besten fragt es sich zuerst: Ist ein Treueprogramm der richtige Weg fürs uns? Denn Kundenbindung entsteht auf verschiedene Arten. Möglicherweise ist es besser, in einen exzellenten Service zu investieren und sich so am Markt zu differenzieren. Entscheidet sich ein KMU für ein Kundenbindungsprogramm, sollte es sich genügend Zeit für konzeptionelle Überlegungen nehmen, etwa zu Ziel, Zielgruppe, Benefits, Kommunikation, Organisation, Technologie und Daten.

Welche dieser Faktoren verdienen besondere Aufmerksamkeit?

Fälschlicherweise fokussieren sich viele KMUs besonders auf die Technologie, die sich heute mit Software as a Service aber vergleichsweise einfach und kostengünstig lösen lässt. Leider geht die notwendige und passende Organisation oftmals vergessen. Wenn einem Unternehmen die internen Ressourcen fehlen, nützt selbst die beste Technologie nichts. Ein professionelles Programm zur Kundenbindung erfordert ganz unterschiedliche Fähigkeiten: unter anderem strategische, analytische und kommunikative. Bei zu geringen Ressourcen steckt das Unternehmen rasch im operativen Sumpf und ist nur noch damit beschäftigt, das Bonusprogramm halbwegs am Laufen zu halten. So fehlt die Zeit zur Weiterentwicklung, die es für den langfristigen Erfolg zwingend braucht. Denn ein statisches Treueprogramm läuft sich rasch tot.

 

Zur Person
Portrait Michael Bietenhader
Michael Bietenhader ist Inhaber und Geschäftsführer der MilesAhead AG, einem Beratungsunternehmen, das auf CRM, Loyalty-Marketing, Digitalisierung und datengetriebenes Marketing spezialisiert ist. Zuvor war er in verschiedenen Managementpositionen im Handel tätig, zuletzt als Leiter Digital/CRM/Data Analytics bei der Coop Genossenschaft. Dort verantwortete er unter anderem die Supercard und die Kundenclubs Hello Family und Mondovino.

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